Das Erbstueck
Weiden verbargen sie vor der Umwelt, ein Stück entfernt hörten sie Mikkel und Stark-Hans, die prustend versuchten, die Fliegen zu vertreiben.
»Ich habe auch ihnen ein Bad versprochen«, flüsterte er.
»Wem?«
»Den Pferden.«
»Pass auf, dass ich die Seife nicht verliere, es ist die gute parfümierte.«
»Das kann ich riechen.«
Sie liebten sich im Wasser stehend. Er hielt die ganze Zeit von hinten ihre Taille umfasst. Das Wasser löste Schweiß und Glätte auf und machte ihre Körper leicht. Sie hatte das Gefühl, hungrig und nass mitten in einer klatschenden Woge aus Haut und Haut zu schweben, wo es schon nach wenigen Sekunden keine Rolle mehr spielte, ob jemand sie hören konnte. Sie richtete ihre zusammengekniffenen Augen auf die Wasseroberfläche und hielt sich an seinen Händen fest und geriet ganz am Ende mit dem Kopf unter Wasser, verschluckte auch ein wenig
davon. Es schmeckte süß und weiß, wie Regen. Er zog sie zu sich hoch und strich ihr die Haare aus der Stirn, flüsterte ihr ins Ohr, wie sehr er sie liebte, wie schön ihr Rücken in der Sonne sei, und sie spürte, wie die Kälte des Wassers ihren Schoß füllte, als er sich zurückzog, um dem Fluss das zu geben, was er jetzt zu geben hatte. Als sie das Ufer erreicht hatten, legte er sich in die Waschbütte, die sie dort abgestellt hatte. Auch ihr war ein wenig schwindlig, doch sie war durchaus nicht müde. Nur ruhig und zufrieden. Mit Ruben zusammen zu sein, war zu einem körperlichen Zustand geworden, den sie als selbstverständlich hinnahm, so als verzehre sie jeden Tag frisches Brot. Aber sie ließ nie mehr zu, dass er sich in sie ergoss, ließ sich niemals so weit mitreißen. Nie mehr wollte sie rücklings auf alten Zeitungen liegen, mit einer abgestandenen Flasche Schnaps in der Hand.
»Willst du schlafen? Dann spüle ich inzwischen die Kleider durch.«
Er schlief tief und fest. Sie bedeckte ihn mit einem trockenen Handtuch, ehe sie in den Fluss hinauswatete und die Hemden der Jungen und Vati Sules einzigen guten Vatermörder ausspülte.
Danach ließ er sich fast nicht wecken. Sie musste ihn immer wieder schütteln und seine Haare zausen. »Jetzt zu den Pferden« , sagte er, als er endlich die Augen öffnete.
Die Tiere ließen auf alle Weise merken, dass das besser war als Hafer und frische Äpfel und eine glatte Landstraße, die bergab ging. Sie schüttelten Mähne und Schwanz und galoppierten im Stehen, ja, Mikkel legte sich im Wasser sogar hin und musste einen langen Hals machen, um atmen zu können. Ruben und Fits bürsteten sie, auch am After, wo sich sonst die Fliegen gütlich taten, und Malie fuhr ihnen mit dem breiten Kamm durch Schwanz und Mähne. Vati und Ælle saßen am Ufer und feuerten sie an. Ælle hatte alle Decken aus dem Wagen geholt und drinnen
gefegt, jetzt musste alles sauber sein. Sie fuhren schließlich zum Bakken und zum Hochzeitsfest von Elverhøj.
An diesem Abend versuchte sie, mit Vati über Ruben zu sprechen. Aber sie war noch nicht weit gekommen, da sagte er: »Unfug und Humbug, Donnerschock, sage ich, der Junge ist nur müde. Das kommt vom Wachsen.«
»Aber Vati, er ist ausgewachsen. Er ist zwanzig Jahre alt. Ich glaube, er ist krank.«
»Ich will kein Wort mehr hören. Alles ist gut. Morgen fahren wir weiter nach Norden.«
Denn so war er. Es gab kein Problem, dem man nicht davonfahren konnte, wenn man die Pferde nur genügend antrieb. Alles musste gut enden. Es durfte keine düsteren Wolken geben. Denn solche Dinge führten leicht zur Revolution.
Und in der folgenden Zeit schien es Ruben wirklich besser zu gehen. Sie traten in Süd-Jütland nur in wenigen Orten auf. Vati wollte die Gegend, die ihn an seine frühere Armut erinnerte, rasch hinter sich lassen. Erst als sie Fünen erreicht hatten und auf eine Überfahrt über den Großen Belt warteten, kam er wieder zur Ruhe, und inzwischen hatte auch Ruben sich erholt; er hatte hinten im Wagen die ganze Zeit geschlafen. Malie hatte auch immer etwas Süßes für ihn bereit, wenn er erwachte. Obst oder Honig oder ein Stück Zuckerkringel, das sie in einem Tuch versteckt hatte.
Das ging so bis zu dem Abend, an dem er nicht zu wecken war. Sie befanden sich in der Nähe von Ringsted. Im Wagen war es zwar sehr warm, es war bereits Mai, und die Sonne hatte den ganzen Tag gebrannt. Aber die Wagentüren standen offen, und Ælle hatte ganz hinten gesessen und an einer Schnur eine Schelle durch die Karrenspuren gezogen, ohne dabei einen Hitzschlag zu
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