Das erste Buch der Traeume
Rüschen von Ballkleidern auslassen würde.«
»Es sei denn, er macht es extra, damit man ihn für ein Mädchen hält.«
»Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen.« Er kratzte sich an der Nase, und ich sah, dass die Wörter an seinem Handgelenk verschwunden waren. Offensichtlich war es wirklich nur Filzstift gewesen. »Was tust du eigentlich hier?«
»Ich verstecke mich vor Persephone Porter-Peregrin, meiner neuen besten Freundin. Und du?«
»Wir äh … Das sind übrigens meine besten Freunde. Jasper und Henry hast du, glaube ich, schon kennengelernt.« Er seufzte. »Und das ist Arthur.«
Tatsächlich. Hinter Henry und Jasper war Arthur aufgetaucht. »Du kannst ruhig laut sprechen, Grayson«, sagte er. »Die gute Miss Cooper macht Mittagspause und hat uns die Bibliothek zu treuen Händen überlassen.« Lächelnd kam er auf uns zu. Henry und Jasper verließen ihre Beobachtungsposten und schlenderten ebenfalls näher.
»Hi. Du musst Graysons neue kleine Schwester sein. Liv, richtig?«
Ich nickte. Mein Gott, er war wirklich der schönste Junge dieser Hemisphäre, da hatte Secrecy recht. Allein diese goldenen Engelslocken! Jeder andere hätte mit der Frisur wie ein Mädchen ausgesehen, aber bei ihm passte es perfekt. Im Tageslicht sah er auch kein bisschen unheimlich aus, eher im Gegenteil. Mein Kurzzeitgedächtnis formte die gerade gelesenen Infos aus dem Tittle-Tattle-Blog zu einem Steckbrief, der sich vor meinem inneren Auge gleich neben seinem Kopf in die Luft heftete:
Arthur Hamilton, achtzehn Jahre. Kapitän der Basketballmannschaft. In einer (Fern-)Beziehung mit Anabel Scott. Lieblingsfächer Sport und Mathematik. Lieblingsfarbe: Blau. Eine Abmahnung wegen Prügelei im letzten Winter. Vater Geschäftsführer eines großen britischen Werbeunternehmens. Hat ein eigenes Kino zu Hause.
»Und – wie gefällt es dir an der Frognal?«
»Ich finde es hier recht … interessant«, sagte ich.
»Sie hat gerade den Tittle-Tattle-Blog entdeckt«, sagte Grayson.
Arthur lachte. »Ja, interessant ist das richtige Wort.« Er tauschte einen kurzen Blick mit Henry, der sich wieder mit verschränkten Armen gegen ein Regal gelehnt hatte. Es schien seine bevorzugte Haltung zu sein. Auch über ihn hatte ich jetzt eine Menge Informationen gespeichert:
Henry Harper, 17 Jahre. Flügelspieler bei den Frognal Flames. Sohn eines prominenten Londoner Geschäftsmanns aus dessen dritter Ehe. Muss sich sein Erbe mit einer großen Schar von Geschwistern und Halbgeschwistern teilen, wenn überhaupt etwas übrig bleibt, denn der Vater hat sich letzten Winter neu verliebt und zwar in ein bulgarisches Unterwäschemodel Schrägstrich Callgirl, das er gerne zu Ehefrau Nummer vier machen will. Hervorragende Noten. Anwärter auf ein Stipendium in St Andrews. Zurzeit Single. Hat schöne graue Augen. Guckt schon wieder so komisch.
Ich wandte schnell den Blick ab und tat, als müsse ich etwas in meinem Mäppchen suchen. Wenn Henry mich ansah, hatte ich immer das Gefühl, er könne meine Gedanken lesen.
»Magst du Basketball, Liv?«, erkundigte sich Arthur. »Wir veranstalten eine kleine Saison-Start-Party am Samstagabend bei mir zu Hause – wäre schön, wenn Grayson dich mitbringen würde. Dann kannst du gleich ein paar Leute kennenlernen. Und wir haben einen kleinen Pool, also bring einen Bikini mit, wenn du gerne schwimmst.«
Ich blinzelte misstrauisch. Meinte er das ernst? Er hatte mich doch gerade erst kennengelernt.
»Wie sieht es aus – kommst du?«
Andererseits – warum sollten Menschen nicht auch einfach mal nett sein? Außerdem wollte ich dringend das hauseigene Kino sehen. »Wenn Grayson mich mitnimmt, gerne«, sagte ich also.
»Wir müssen natürlich erst deine Mutter fragen«, mischte sich Grayson ein. An seine Freunde gewandt fuhr er fort: »Sie ist ziemlich streng, was die Ausgehzeiten betrifft.«
Wie bitte? Mum war kein bisschen streng, ganz im Gegenteil. Ständig erzählte sie mir, was sie in meinem Alter schon alles erlebt hatte. Sogar in Pretoria, das ja nun wirklich kein ungefährliches Pflaster war, hatte ich am Wochenende so lange wegbleiben dürfen, wie ich wollte. Zu ihrem Glück hatte ich nie lange wegbleiben wollen.
»Ähm, ja«, sagte ich und sah Grayson fragend an. Warum behauptete er denn so etwas? »Meine Mum ist extrem … streng.«
»Das finde ich aber gut«, sagte Jasper. »Bei Mädchen.«
Bevor jemand herausfinden konnte, was genau er damit meinte, klingelte es zum Beginn der nächsten
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