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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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oder machte mir sonst Kummer. Er war das perfekte Kleinkind.
    Zu meinen fast alles einnehmenden Träumen kamen die unbezahlten Rechnungen. Noch immer hatte ich keinen Weg gefunden, meinen Bedarf abzudecken, und stopfte die finanziellen Löcher von rechts nach links und schob die Mahnungen vor mir her. Die Aufgaben wurden schwerer, ständig brauchte ich neue Bücher oder neues Material. Immer öfter betrog ich die Staatskasse mit angeblichen Anschaffungen, die ich dadurch natürlich niemals wirklich machen konnte. So fehlten mir auch im Haushalt wichtige Dinge wie Waschmaschine oder Staubsauger. Dauernd musste ich mir im Haus etwas leihen. Es war zum Heulen.
    Und trotzdem: Am schlimmsten waren die Träume von »meinem verlorenen Baby«. Immer öfter weinte ich mich in den Schlaf und konnte mir selber nicht helfen. Wenn Christopher am Abend schlief, gab ich meiner Nachbarin manchmal den Schlüssel und ging in die alte Kneipe meines Bruders. Das Publikum hatte mit dem neuen Besitzer gewechselt. Jeder Wirt bringt bekanntermaßen auch seine Gäste mit. Ich betrank mich jetzt oft und hatte wahlweise Sex, mal mit dem, dann mit dem. Ich machte keine Unterschiede, alles war mir recht, um mich vor meinem einsamen, leeren Bett zu bewahren. Keinen Schlaf konnte ich dort finden, nur schwere Träume, die mich mehr und mehr rastlos und ruhelos werden ließen.
    Es waren ausdruckslose Typen, die an jeder Theke stehen. Angetrunken, mit Bierfahne und meist in Trennung lebend. Es waren diese endzwanziger Studententypen, die nie einen Pfennig, jedoch immer einen Joint in der Tasche hatten.
    Oft zahlte ich nur den ersten Drink, zum zweiten wurde ich bereits eingeladen, und nach dem vierten verließ ich in der Regel das Lokal, jedoch niemals allein. Nicht einer von ihnen interessierte mich wirklich, und genauso war der Sex. Wildes Geknutsche bis zur Wohnung, ein paar höfliche Blicke durch die Zimmer, ein Wasserglas mit Wein, während er sich eben frisch machte oder die Klamotten vom Bett schmiss. Mal eben auf die Toilette, während er schon aufs Bett fiel. Ein bisschen Wasser zwischen die Beine, um frisch zu sein, und noch mal Parfüm nachgelegt. Dann ging es schon zur Sache, meist kurz und zielstrebig, manchmal langatmig und auf Umwegen. Aber eines war immer gleich: Während all diese Typen auf mir oder hinter mir rumwackelten, ihre Glieder in mich schoben und ihren Schweiß an mir abwischten, wurde es mir zu viel, ich wurde müde, und ich wollte gehen.
    Manchmal kam es mir vor, als stünde ich daneben und könnte mich sehen, wie ich dort verkrampft lag und vor mich hin stöhnte, um sie anzufeuern. Manchmal war ich so weit weg, dass ich überlegte, welche Straßenbahn jetzt am günstigsten wäre, um nach Hause zu kommen. Manchmal las ich während des Aktes alle Bücherrücken durch, wenn es im Zimmer welche gab. Ich schlief nur noch drei bis vier Stunden in der Nacht und verbrachte den Rest davon mit Blasen und Wichsen irgendwelcher halbschlaffer Schwänze angetrunkener Idioten.
    Ich schämte mich, war unglücklich, verzweifelt. Alles schien mir über den Kopf zu wachsen. Und in dem ganzen Chaos kamen sie jede Nacht wieder, wieder und wieder. Die Augen meines Sohnes Steffen. Mal fragend, mal ängstlich, mal zornig. Ich rief ihm zu: »Ich kann nicht, ich kann nicht!« Aber er streckte immer wieder die kleinen Arme nach mir aus, um dann vor mir im Nebel zu verschwinden. An dem Tag, als Steffen drei Monate alt wurde, konnte ich nicht mehr. Ich erwachte mit einem Schrei, so dass Chrissi erschrocken angelaufen kam und sich an mich kuschelte.
    »Was hältst du davon, mein Süßer, wir holen deinen Bruder ab.«
    »Er muss aber seine eigenen Autos mitbringen, Mama, meine rote Feuerwehr ist ja …« Ich sah meinen Sohn an. Ich drückte ihn an mich und wusste genau: Ich wollte mein Baby zurück, nur das war es, was mir wirklich fehlte.
CHAMPAGNERKELCH III
    Eine Hoffnung haben, an etwas glauben, einer Sache eine Chance geben. Das alles sind Gefühle, die leicht und beschwingt machen. Gleichzeitig beinhalten diese Worte aber auch die Möglichkeit des Scheiterns, dass es ein vergebliches Hoffen bleiben könnte, dass man irrt, dass die Chance vertan, verpasst wird. Und dann passieren plötzlich Dinge, die einen den Atem stocken lassen.
    Gründe, warum sich Frauen und Mädchen prostituieren, gibt es sicherlich unzählbar viele. Jede hat ihre eigene Geschichte, ihre eigene Qual oder ihre eigene private Hoffnungslosigkeit in sich. Sie tun es aus Liebe

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