Das Erwachen
zögerte. »Vielleicht hängt es mit unserer Trennung zusammen«, sagte sie schließlich leise. »Wir könnten heimfahren und feststellen, dass sich nichts gebessert hat.«
In seinen Augen blitzte wieder Ärger auf. »Ich habe dir nie wehgetan, Megan. Das würde ich nie tun.«
»Na ja, aber vielleicht, ich weiß nicht, aber vielleicht mangelt es uns noch immer an Vertrauen. Was ich damit sagen will: Ich verhalte mich nicht merkwürdiger als du.«
»Ich erinnere mich nicht daran, mich zu Hause oder in Florida merkwürdig verhalten zu haben«, meinte er. »Und auch hier verhalte ich mich nicht merkwürdig. Du bist es, die schreiend aufwacht.«
»Stimmt. Du machst dir erst gar nicht die Mühe aufzuwachen«, murmelte sie.
»Wie bitte?«
»Finn, wir stehen dieses Engagement hier durch«, sagte sie leise. »Wenn wir aufgeben würden, dann … na ja, es würde auf alle Fälle in den Nachrichten kommen. Niemand würde uns mehr ernst nehmen. Vielleicht kann sich das jemand leisten, der richtig berühmt ist, oder auch Leute, die überhaupt keinen Namen haben. Aber unser Ruf wäre ruiniert, und irgendwann würdest du mir das vorwerfen. Jedenfalls … wenn ich jetzt weggehe, dann von dir … so lange wir hier sind.«
Ihre Worte überraschten sie. Eigentlich wollte sie das gar nicht sagen, aber sie hatte sich einfach nicht stoppen können. Und nun konnte sie es nicht einmal erklären.
Als sie zu reden aufhörte, stand er stocksteif da. Sehr aufrecht und gespannt wie eine Bogensehne, das Gesicht verzerrt.
Schließlich kehrte er ihr den Rücken zu und ging wieder auf den Balkon.
Auch sie stand noch eine Weile reglos da. Dann eilte sie ihm nach, entschlossen, ihm die Sache zu erklären. Vielleicht damit, dass ihn, wenn sie bei Morwenna übernachtete oder so, niemand beschuldigen könnte, ihr nachts wehzutun, wenn sie wieder einen Albtraum hatte.
Doch als sie auf den Balkon trat, war er weg. Sie starrte in die mondhelle Nacht hinaus. Das war doch vollkommen verrückt! Er war über die kleine schmiedeeiserne Brüstung gesprungen, hinein in die kühle Dunkelheit, und lief nun dort draußen barfuß und nackt unter seinem Morgenmantel herum.
»Finn?«, rief sie leise, aber er antwortete nicht. »Finn!«, wiederholte sie lauter. Wieder kam keine Antwort.
»Du hast mich nicht verstanden«, murmelte sie betrübt. Doch es war niemand da, um ihr zuzuhören und zu antworten.
Megan stand so lange auf dem Balkon, bis die nächtliche Kälte ihr durch Mark und Bein gekrochen war und sie so heftig zitterte, dass sie ins Zimmer zurückmusste.
Sie lief unruhig auf und ab, zwischen Verletztheit und Zorn schwankend. Schließlich konnte sie nicht mehr, sie legte sich wieder ins Bett. Die Tränen, die ihr vorhin in den Augen gebrannt hatten, waren inzwischen wohl geflossen, denn ihre Wangen waren feucht.
Wie lange war er schon weg? Wie konnte er es dort draußen so lange aushalten, nur im Morgenmantel?
Es dauerte sehr lange, bis sie endlich wieder einschlief, und noch beim Einschlafen war sie abwechselnd wütend und bekümmert.
Doch diesmal schlief sie traumlos.
Megan war weg.
Als er endlich wieder zurückkehrte, voller Wut auf sich, weil er sich wie der größte Trottel aller Zeiten aufgeführt hatte, war sie noch da gewesen. Aber jetzt … mit einem Blick auf den Wecker stellte er fest, dass es schon fast elf war. Und Megan lag nicht mehr im Bett.
Er ging ins Bad. »Meg?« Doch dieser Ruf wäre nicht nötig gewesen, er hatte es gefühlt, dass außer ihm niemand hier war. Er bezweifelte, dass sie sich überhaupt noch in Huntington House aufhielt.
Wie idiotisch er sich gestern Nacht benommen hatte. Und dennoch …
Gestern Nacht war es ihm richtig erschienen, wegzugehen; selbst über die Eisenbrüstung zu klettern war ihm richtig erschienen. Er musste weggehen, hinaus in die kalte Nachtluft, barfuß, fast nackt. Denn er hatte einen wachsenden Zorn in sich verspürt, den er sich nicht erklären konnte. Na gut, zum Teil war er deshalb zornig gewesen, weil sie nicht einmal wach gewesen war. Unmöglich! Oder schlimmer noch – weil sie mitten in ihrem Liebesspiel eingeschlafen war. Aber nein, das konnte nicht sein. Das wäre ja wohl die schlimmste Beleidigung für jeden Mann. Aber dann hatte sie sich auch noch eingebildet oder geträumt, dass er irgendein grauenhaftes Monster war.
Er war bis zu einem großen Stein am Rand des Anwesens gegangen. Dort hatte er sich hingesetzt, überzeugt, dass ihm hier niemand über den Weg laufen würde
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