Das Erwachen: Dunkle Götter 1
umarmt. Dummkopf! Sie sagt dir, sie brauche einen Freund, und du denkst sofort daran, ihr auf die Pelle zu rücken. Manchmal ist es ein Fluch, als Mann geboren zu sein.
»Na gut, ich stimme dir zu. Ich an deiner Stelle würde das aber wohl ganz anders sehen, und ich frage mich, womit ich deine Freundschaft überhaupt verdient habe. Also, was willst du hier, Penelope?« Sie hatte in gewisser Weise sogar recht, und ich hatte keine Lust mehr, mich zu streiten. Allerdings mochte ich mich nicht dafür entschuldigen, dass ich während ihrer Schicksalsschläge nicht für sie da gewesen war, und sie wäre ohnehin besser dran gewesen, wenn sie aufgehört hätte, sich meinetwegen den Kopf zu zerbrechen.
»Du Mistkerl! Ich bin hergekommen, weil du der einzige echte Freund bist, den ich habe! Und glaub ja nicht, dass ich mich so leicht verscheuchen lasse. Wir sind Freunde, bis ich sage, dass wir es nicht mehr sind. Selbst wenn ich dich verhauen muss, damit du mir endlich verrätst, was mit dir los ist!«
Ich gab es auf. »Was willst du wissen?«
Misstrauisch beäugte sie mich. »Lass dir ja keine Tricks einfallen! Ich weiß jetzt schon mehr, als du denkst, also sei lieber ehrlich!«
»Abgemacht.«
»Warum bist du gestern Abend in der Bibliothek gewesen?« Das überraschte mich. Offensichtlich entging ihr wirklich nicht viel.
»Woher weißt du das?«, fragte ich.
»Du hast dich nicht betrunken, und ich habe auf dem Schreibtisch zwei seltsame Bücher gefunden. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass du dich mit den Nachtgöttern eingelassen hast. Diese Bücher wirkten jedenfalls sehr eigenartig.« Frauen darf man nicht unterschätzen. »Und jetzt hör auf mit der Heuchelei und sag mir endlich, was du mit Marc und Dorian zu tuscheln hattest.«
»Das würdest du wahrscheinlich gar nicht glauben. Vielleicht sollte ich es dir zeigen«, erwiderte ich. »Schließ die Vorhänge. Im Dunkeln ist es leichter zu erkennen.« Immerhin, sie stellte keine Fragen und sah mich nur seltsam an, während sie die Vorhänge vorzog. »Komm, setz dich zu mir aufs Bett, es dauert einen Augenblick.«
» Das habe ich vorhin schon gesehen, falls es das ist, was du mir zeigen willst«, bemerkte sie sarkastisch.
»Nun halt doch mal einen Augenblick den Mund, damit ich mich konzentrieren kann.« Ich hatte am vergangenen Abend die Eintragungen für die ersten Tage von Vestrius’ Lehrzeit gelesen, und auch wenn ich das Lycianische noch nicht richtig verstand, so kannte ich doch die ersten Wörter, die er gelernt hatte, und ihre Anwendung. Ich schloss die Augen und entspannte mich. Dann hob ich die Hand und formte mit der Handfläche eine Schale. » Lyet «, sagte ich und konzentrierte mich auf die Luft in meiner Hand. Ein warmes Glühen entstand, schwach zwar, aber doch halbwegs erkennbar und insgesamt etwas enttäuschend. » Lyet! «, sagte ich noch einmal mit größerem Nachdruck. Das Licht flackerte und formte sich zu einer leuchtenden Kugel, die zu hell war, um sie anzuschauen. Ich schloss die Augen, doch das Strahlen war stark genug, um sogar durch die Augenlider zu dringen. Pennys Reaktion darauf war äußerst interessant.
»Au, verdammt!« Sie sprang rückwärts vom Bett und stürzte auf der anderen Seite auf den Boden. Damit war sie in weniger als einer Stunde schon zweimal aufs Hinterteil gefallen. Ich ließ die Lichtkugel in der Luft schweben und half ihr beim Aufstehen. In Wahrheit wusste ich noch gar nicht, wie man das Licht bewegte – und ich hatte am vergangenen Abend reichlich Mühe gehabt, es zu löschen, nachdem ich es zum ersten Mal erzeugt hatte.
Im grellen weißen Licht wirkte alles verfremdet, und in den harschen Schatten bekam ihr Gesicht einen seltsamen Ausdruck. Am schlimmsten war die Angst, die ich in ihren Augen entdeckte. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie ich wohl selbst in diesem Schein aussah. »Verstehst du jetzt, warum ich solche Schwierigkeiten hatte, dir etwas zu sagen?« Ich wollte mir ein Lächeln abringen, eine beruhigende Miene aufsetzen, um sie zu besänftigen, aber das machte alles nur noch schlimmer. Sie wich vor mir zur Tür zurück.
»Warte, Penny. Es ist nicht so schlimm, wie du jetzt denkst. Warte, ich lösche das Licht, und dann erkläre ich es dir noch einmal.« Ich machte eine Geste zum Licht hin. » Haseth. « Es ging ganz plötzlich aus. Dabei wurde es recht dunkel im Raum, weil unsere Augen sich gerade erst auf den grellen Schein eingestellt hatten.
Sie stieß einen kleinen
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