Das Erwachen: Dunkle Götter 1
teuflischen Klauen des Wamses zu entkommen. Anscheinend hatte sie das wirre Durcheinander, das ich am Fußende des Bettes siegreich zurückgelassen hatte, inzwischen geordnet.
»Du wirst meine Hilfe brauchen, aber ich warte hier drüben, bis du Hemd und Hose angezogen hast.« Sie drehte sich zur Kommode um, und jetzt zog ich eilig die Sachen an, mit denen ich ohne Hilfe zurechtkam. Zu spät fiel mir ein, dass die Kommode einen großen Spiegel besaß, und als ich mich über die Schulter umsah, bemerkte ich, dass sie mich heimlich beobachtete. Ich weiß den Grund selbst nicht genau, aber ich hielt den Mund und zog mich weiter an. Wahrscheinlich hatte ich genug von peinlichen Unterhaltungen. Jedenfalls stopfte ich mir dieses Mal selbst das Hemd in die Hose.
Einige Minuten später half sie mir, das Wams zu schnüren. Obwohl es nun schon das zweite Mal war, fand ich ihre Nähe beunruhigend. Ich erinnerte mich an Marcs Eingeständnis hinsichtlich seiner verlorenen Jungfräulichkeit und machte mir so meine Gedanken. Ob es Penny war? Dieses Mal blieben meine dummen Lippen allerdings geschlossen. Trotzdem, der Gedanke störte mich.
»Warum bist du denn die ganze Nacht aufgeblieben?« Ich erschrak, zumal sie mir direkt ins Ohr sprach. Morgen lasse ich mich von Benchley ankleiden , dachte ich. Benchley war der Kammerdiener, der auch Marc half. Ich schloss kurz die Augen, um meine Gedanken zu ordnen.
»Verzeihung?« Manchmal geriet ich über meine eigene Gerissenheit in Erstaunen.
»Lass das«, antwortete sie.
»Was soll ich lassen?« Ich blieb dabei und spielte weiter den Ahnungslosen.
Sie war mit den Bändern fertig und trat zurück, um mich kritisch zu begutachten. »Mort, wenn du mich weiter so schneidest, wirst du es eines Tages bedauern.«
Ich fand, dass es immer noch helfen konnte, mich unwissend zu stellen. »Ehrlich, Penny, ich weiß gar nicht, was du meinst. Du hast doch gehört, was Marcus gesagt hat. Wir sind lange aufgeblieben und haben gezecht, und ich habe mehr getrunken, als gut für mich war …« Ich brachte den Satz jedoch nicht zu Ende, denn ihre Hand traf meine linke Wange mit einer solchen Heftigkeit, dass es brannte. Der Schlag drehte mir sogar den Kopf halb zur Seite.
»Verdammt, Mordecai! Ich lasse mir ja viel gefallen, aber lüg mich nicht an! Marc und Dorian erzählst du alles, aber mir kannst du wohl nicht mehr trauen? Warum nicht? Liegt es an den Titten?« Sie gestikulierte wild und unterstrich ihre Bemerkung, indem sie die fraglichen Körperteile ein wenig anhob. »Hältst du mich jetzt für eine dumme kleine Gans, der man nichts mehr anvertrauen kann?«
Eilig ruderte ich zurück. Ihre ungezügelte Wut hatte mich ganz unvorbereitet getroffen. »Natürlich nicht, Penny! Ich vertraue dir doch. Ich meine, wir sind schließlich zusammen aufgewachsen, und es hat nichts damit zu tun, dass du eine Frau bist. Wir waren immer enge Freunde, und …«
»Enge Freunde?«, fiel sie mir ins Wort. »Hast du dir deshalb so große Mühe gegeben, mich zu besuchen, wenn du in den letzten zwei Jahren in die Stadt gekommen bist? Darum wusstest du ja auch, dass meine Mutter im letzten Jahr an der Schwindsucht gestorben ist, nicht wahr? Deshalb wusstest du, dass Vater nicht mehr arbeiten konnte, sodass ich die Stelle hier annehmen musste. Du hast Dorian besucht und bist wer weiß wie oft hergekommen, um mit Marcus zu reden. Aber ich war dir wohl nicht gut genug.« In dieser Unterhaltung ging es offenbar um erheblich mehr als meine geheimen Nachforschungen. Es traf tatsächlich zu, dass ich ihr in den letzten zwei Jahren aus dem Weg gegangen war, denn seit wir keine Kinder mehr waren, hatte es immer wieder peinliche Situationen gegeben. Sie hatte sich auf eine Weise verändert, die eine Distanz zwischen uns schuf, und nachdem sie aufgeblüht war, interessierten sich die Männer der ganzen Stadt für sie. Ich dagegen mochte keine Konkurrenz und musste außerdem zugeben, dass sie vollständig außerhalb meiner Reichweite war.
»Dachtest du denn, ich bräuchte keine Freunde mehr?« So langsam beruhigte sie sich, und jetzt bemerkte ich auch die Tränen in ihren Augen.
»Penny, es tut mir wirklich leid, und du hast recht.« In unseren Unterhaltungen schälten sich gewisse Gesetzmäßigkeiten heraus. »Ich dachte aber, du hättest viele Freunde. Alle Jungs in der Stadt bemühen sich doch anscheinend um dich …«
»Ich brauche keine Brautwerber, sondern einen Freund.« Sie sah mich an, und am liebsten hätte ich sie
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