Das Erwachen: Dunkle Götter 1
war bis zu den Hüften hochgeschoben, die Beine waren geöffnet, eines lag angewinkelt unter dem anderen, ein Fuß berührte den Boden. Sie wirkte ganz und gar leblos. Im rechten Oberschenkel steckte ein großer Splitter, das Blut tropfte auf das Bett. Gern würde ich beschreiben, welche Gefühle mich übermannten, aber ich finde keine Worte dafür. Die Welt erbleichte, als wäre sämtliche Farbe aus ihr gewichen, und hinterließ eine Szene mit grellen weißen und tiefschwarzen Kontrasten.
Ich war taub vor Entsetzen und Schreck und zugleich von einer kalten Wut erfüllt. Schon war ich zu Devon Tremont geeilt und zog ihm den Dolch aus dem Gürtel, den er zum Teil gelöst hatte. Allem Anschein nach war er nicht dazu gekommen, sein Verbrechen zu vollenden. Freilich spielte dies auch keine Rolle mehr. Ob sie nun die Jungfräulichkeit verloren hatte oder nicht, sie war tot und würde mir niemals mehr ein Lächeln schenken. Ich kniete neben dem Bett nieder, und obwohl ich außer einer kalten Taubheit nichts empfand, rannen mir die Tränen über das Gesicht.
Vorsichtig hob ich den Dolch, bis er direkt über dem schlagenden Herzen des Mistkerls schwebte. Ich achtete darauf, den Schurken nicht mit der Spitze der Klinge zu berühren, damit er nicht erwachte, ehe ich zustieß. So verharrte ich einen zeitlosen Augenblick lang. Meine einzige Sorge war, dass dieser Tod viel zu sauber sein könnte, viel zu glatt – gemessen an dem, was er verdient hätte. Dieser vorübergehende Zwiespalt rettete Devon das Leben.
Auf einmal unterbrach ein Geräusch meinen Gedankengang. Es war ein ganz und gar unpassendes Geräusch, das nicht hierher gehörte. Penny schnarchte. Hätte sie nur leise geschnarcht, dann hätte ich es überhört, aber dies war keineswegs ein damenhafter Laut, sondern ein tiefes, dumpfes Grollen. Ungefähr das, was ein dicker Bauer von sich geben mochte, wenn er zu viel Ale getrunken hatte und ohnmächtig ins Bett gesunken war. Es riss mich aus dem dunklen Ort heraus, in den mein Herz gestürzt war, und so seltsam es klingen mag, jetzt musste ich lachen.
Gewiss, es war ein schreckliches Lachen, ein furchtbares Geräusch, ein elender, brabbelnder Laut. Die Art Lachen, bei dem die ängstlichen Städter die Läden zuwerfen und die Türen verriegeln. Es schüttelte mich und lockerte mir den verkrampften Bauch, bis ich endlich freier lachen konnte, tief, aus vollem Herzen und von einem Keuchen unterbrochen, wann immer ich nach Luft schnappte. Irgendwann wich das Lachen den Tränen, und ich weinte still, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte.
Langsam stand ich auf und dachte nach. Zuerst zog ich den Splitter behutsam aus Pennys Bein, das daraufhin stärker zu bluten begann. Ich beobachtete ihr Gesicht, ob sie etwa aufwachte, doch ich hatte viel Kraft in den Zauberspruch gelegt, und sie regte sich kaum. So riss ich einen langen Streifen aus dem Bettlaken und verband ihre Wunde. Dann richtete ich mich auf und sah mich um.
In dem Raum herrschte, vorsichtig ausgedrückt, ein heilloses Durcheinander. Auf dem Boden lagen Schmuckgegenstände und die Splitter der Eichentür bunt durcheinander. Das Bettzeug war von Pennys Wunde blutig, zwei Menschen lagen mehr oder weniger … unordentlich da, in tiefer Ohnmacht. Es war zu viel, um alles auf einmal aufzuräumen, also begann ich mit dem Wichtigsten. Ich bückte mich und schob die Arme unter Penelope, bis ich mit dem einen die Schultern und mit dem anderen die Knie zu stützen vermochte. Es war kein günstiger Winkel, um mich aufzurichten, und ich taumelte einen Moment und wäre fast auf Devons Kopf getreten. Ach, welch eine Schande wäre es doch gewesen, dieses hübsche Gesicht zu zertrampeln , dachte ich sarkastisch. Allerdings durfte er keinesfalls aufwachen. Penny war kräftig, fast so groß wie ich, und besaß dank der schweren Arbeit auch einige Muskeln. Trotzdem lag sie federleicht auf meinen Armen. Es musste wohl die Aufregung sein, aber ich dachte nicht weiter darüber nach.
So schnell ich konnte, ging ich auf den Flur hinaus und zu meinem Zimmer. Ihr eigenes wäre vielleicht besser geeignet gewesen, aber ich hatte keine Ahnung, wo sich ihr Quartier überhaupt befand. Sachte legte ich sie auf mein Bett und nahm mir einen Augenblick Zeit, die Bettdecke über sie zu ziehen. Dann kehrte ich in den Flur zurück und holte das Buch, das dort noch immer an der Wand lehnte, um es sicher bei den anderen in meinem Zimmer zu verstauen. Jeder dieser Wege dauerte mehrere Minuten,
Weitere Kostenlose Bücher