Das Erwachen: Dunkle Götter 1
natürlich«, versicherte er mir. »Leider muss ich mich nun aber selbst entschuldigen, wenn Ihr erlaubt.« Natürlich verstand ich dies und verkniff mir ein Lächeln, um ihm nicht noch Salz auf die Wunde zu streuen.
Nachdem er sich höflich verabschiedet hatte, schenkte mir Rose einen dankbaren Blick. »Danke. Ich hatte Mühe, einen höflichen Weg zu finden, seinen Eifer zu zügeln. Noch ein Augenblick, und ich wäre auf ganz unverzeihliche Weise grob geworden.«
»Eure Schönheit treibt auch noch dem kultiviertesten Gentleman jegliche Vernunft aus, aber das solltet Ihr Euch nicht als Eure Schuld anrechnen. Indes zweifle ich keineswegs daran, dass Ihr schließlich doch noch einen Weg gefunden hättet, ihn abzuweisen, ohne seinen Stolz zu verletzen.« Ich deutete eine Verbeugung an und machte Anstalten, mich auch selbst zurückzuziehen, denn offensichtlich hatte ich meine Aufgabe doch erfüllt.
»Wartet noch, ich würde wirklich gern mit Euch plaudern.« Sie legte mir eine Hand auf den Unterarm. Diese Frau drückte sich mit Haltung und Gesten ebenso beredt aus wie mit Worten und Blicken. Trotz der Beschränkungen und Hemmnisse, denen eine Dame ihres Standes unterworfen war, verfügte Rose Hightower über ein höchst bemerkenswertes Ausdrucksvermögen.
»Gewiss habt Ihr doch kein Interesse an meinen dummen Bemerkungen«, antwortete ich.
»Vielleicht wollt Ihr aber die meinen hören.« Der Ausdruck ihrer Augen gab mir zu verstehen, dass es höchst ratsam wäre, sie beim Wort zu nehmen.
Unsicher hielt ich inne. »Ich bin sicher, dass es mich bereichern wird, Euch anzuhören.«
»Dann müssen wir ein Abkommen miteinander schließen. Beantwortet mir erst eine Frage, dann teile ich mein Wissen mit Euch.« Sie zog es zwar auf wie ein Spiel, doch ihre Miene verriet mir, dass es hier um mehr ging.
»Damit haben wir also eine Abmachung. Was möchtet Ihr von mir erfahren?«, erwiderte ich.
»Wen habt Ihr gerade gesucht?« Ihre Augen blitzten belustigt.
»Einen Freund, niemanden von Wichtigkeit.«
»Das ist überhaupt keine Antwort.« Sie runzelte die Stirn und nahm die Hand von meinem Arm, um ihre Missbilligung zum Ausdruck zu bringen.
»Penelope Cooper, eine Freundin aus meiner Kindheit, die hier als Dienstmädchen beschäftigt ist. Stellt Euch dies zufrieden?« Ich war ein wenig gereizt, es ihr offenbaren zu müssen, denn in der letzten Zeit war mir Penny immer wichtiger geworden, und jetzt brachte es mich in Verlegenheit, über sie zu sprechen.
»Also eine Freundin, wie interessant. Nun gut, Ihr sollt aber wissen, dass Ihr Euch neulich beim Empfang einen gewissen Mann zu Eurem Feind gemacht habt.« Sie beobachtete meine Reaktion.
»Das ist mir bekannt, aber das Kind ist wohl unwiderruflich in den Brunnen gefallen.« Wenn ich in diesen wortreichen Dialogen noch etwas besser wurde, konnte ich bald selbst Stunden in der Kunst des Drumherumredens geben.
»Ihr tut gut daran, dies hinzunehmen, wie es ist. Euer Freund Marcus darf sich glücklich schätzen, dass er Euch hat, aber diese Freundschaft bringt Euch in eine große Gefahr.«
Auch das wusste ich schon, aber ich wollte ihre Meinung dazu hören. »Wie das?«
»Die Kraft eines Bauwerks liegt im Grundstein. Euer Feind versucht, das Haus Lancaster niederzureißen. Er wird dies tun, indem er zuerst das Fundament untergräbt, und Ihr seid bei diesem Unterfangen sein wichtigstes Ziel.« Das hatte ich zwar ebenfalls schon einmal gehört, aber ich wollte sie nicht beleidigen.
»Lady Rose, ich fürchte, Ihr überschätzt meinen Wert bei Weitem.« Vielleicht war sie doch nicht so klug, wie ich anfangs gedacht hatte.
»Das mag schon sein, aber für viel wahrscheinlicher halte ich es, dass Ihr selbst Euren Wert unterschätzt.« Ich hätte jetzt Einwände erheben können, sparte mir jedoch die Mühe. Sie hätte ohnehin das letzte Wort behalten. Nach ein paar weiteren Belanglosigkeiten entschuldigte ich mich und setzte die Suche fort. Dieses Mal ließ sie mich kommentarlos ziehen.
Ich wanderte eine Weile umher und suchte eine Frau mit dunklem Haar und Augen, in denen der Mond ertrinken konnte. Die Glücksgöttin hielt es jedoch nicht für nötig, mich zu unterstützen – verdammt sollte sie sein! Penny war so flüchtig wie ein Traum, den man beim Aufwachen schon vergessen hat. Schließlich gab ich es auf und genoss den Rest der Darbietung. Eine besonders prächtige rote Blüte erstrahlte am Himmel über dem See, und dann folgte ein lautes Donnern. Im gleichen
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