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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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Sie sich, dass er Arme und Hände noch genug bewegen kann, um den Stein zu halten. So ... das wäre geschafft. Bleiben Sie hier stehen, halten Sie den Stuhl fest, ganz gleich, was geschieht, und achten Sie darauf, dass er immer in diese Richtung zeigt.«
    »Er hat unten am Sockel eine Verriegelung. Ich denke, ich werde ...«
    »Tun Sie es. Wir haben keine Zeit mehr ...«
    Sie ließ ihn stehen, ging um den Stuhl herum und an dem Gestell und den Werkzeugen vorbei hinaus in die Kammer. Der Regen hatte aufgehört oder sich einfach nur in sehr feinen Nebel verwandelt.
    Licht fiel auf ihr fließendes Kleid, spielte über die Bänder, als wären sie Spiegel, die leuchtendes Rot und Grün, Blau und Gelb reflektierten und immer wieder Farbblitze aussandten, die kurz die Dunkelheit erhellten. Sie vollführte einen langsamen Tanz und sang dazu ein aufmunterndes Begrüßungslied.
    Was Blut dann sah, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen.
    Schatten jedenfalls, die sich bewegten, blasse Hydden, dünn wie Gespenster, bald hier, bald dort, scheu wie Rehe im Wald.
    Er hörte sie lachen.
    Er hörte das Echo ihres Lachens.
    Und dann das Getrappel von Füßen.
    Sie kam zurück, stellte sich neben ihn und legte eine Hand auf die Stuhllehne.
    »Es ist so weit«, sagte sie, beugte sich vor und flüsterte dem Kaiser ins Ohr: »Nun werden Sie wieder leben.«
    Die Antwort des Kaisers, begleitet von einem irren, flehenden Blick, war ein halber Schrei. »Neiiin!«
    Das Getrappel wurde lauter. Mit ihrem Lied hatte Leetha die Übriggebliebenen gerufen. Sie tauchten aus den dunklen Nischen der Kammer auf, vier große, ungeschlachte Kerle, Riesen im Vergleich zu den Geschöpfen, die Blut bislang gesehen hatte. Bilgener, ihrem Aussehen nach zu urteilen.
    Sie hatten weiße, milchige Augen, durchzogen mit den Farben, die Leetha trug und die, wie Blut jetzt auffiel, allen Farben eines strahlenden Sommertags entsprachen. Obwohl blind, wussten sie genau, wohin sie gehen mussten, und strebten geradewegs dem Gestell zu. Dort angekommen hob jeder eines oder zwei Werkzeuge auf.
    »Es ist so weit, liebster Herr ...«, sagte Leetha. »Ich bin hier. Blut ist hier ...«
    Die weiße Gesichtshaut des Kaisers spannte sich. Seine Augen blickten entsetzt, sein Atem ging schnell und nervös.
    Die Übriggebliebenen stapften, Werkzeuge in der Hand, mit schweren Stiefeltritten um das Gestell und stellten sich im Kreisdarum auf. Dann traten die beiden mit den Hämmern vor, schwangen sie hoch über den Kopf und ließen sie mit aller Macht auf das Gestell niedersausen, dass es krachte.
    Sie schlugen abwechselnd zu, immer wieder und wieder.
    Bluts Ohren dröhnten. Das klirrende Geräusch von Metall, das auf Stein trifft, hallte von den Wänden wider, wurde immer lauter, immer eindringlicher und nahm ein Eigenleben an, einen eigenen Rhythmus.
    Plötzlich zuckte der Kaiser zusammen, und sein Mund öffnete sich zu einem entsetzlichen Schrei. »Nein! Neiiiiin!«
    Dann begann der Stuhl zu wackeln, denn der Kaiser versuchte sich nach oben zu stemmen und zu fliehen.
    Das Hämmern ging weiter, obwohl die kräftigen Schläge der Kalkoberfläche offenbar nichts anhaben konnten. Aus dem Klirren wurde ein grässliches Pulsieren, und gleichzeitig wurden die Schreie des Kaisers immer lauter, ehe sie schließlich in ein leises Flehen übergingen. »Oh ... nein ... nein ... neiiin!«
    Das Hämmern hörte auf, und die Übriggebliebenen verharrten eine Weile schweigend vor dem Gestell. Dann traten sie noch näher heran und betasteten den Kalk. Einer beugte sich sogar vor und legte das Ohr darauf.
    Es wurde still bis auf das Stöhnen des Kaisers und das Seufzen des Windes, der aus einem Stollen wehte.
    Die Übriggebliebenen traten wieder zurück, starrten das Gestell an und warteten. Schließlich deutete einer mit dem Finger darauf, ein anderer neigte sich nach vorn und ein dritter wandte sich der Kammer zu wie einem Publikum, um etwas zu rufen, das wie eine Warnung klang.
    Der mit der Spitzhacke trat vor, holte aus und schlug kräftig zu.
    Knack!
    Vergeblich versuchte er die Spitzhacke wieder herauszuziehen. Die Spitze hatte die harte Oberfläche durchdrungen. Ein anderer kam ihm zu Hilfe, und mit vereinten Kräften schafften sie es.
    Wieder sauste die Spitzhacke nieder.
    Der Stein barst, und der Riss, der ihn spaltete, war wie ein Blitz am Himmel. Einzelne Brocken brachen heraus, und darunter kam ein kastenartiges Metallgehäuse zum Vorschein, das auf drei kräftigenBeinen stand, die tief

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