Das Eulenhaus
genau wissen, was ich gern hören würde.«
Schluss damit. Jetzt bloß nicht an Henrietta denken. Er würde sie heute Nachmittag sehen. Jetzt musste erst mal die Arbeit erledigt werden! Geklingelt und die letzte verdammte Ziege behandelt. Noch so eine kränkelnde Kreatur! Zu einem Zehntel wirklich krank, die restlichen neun hypochondrisch! Gott ja, warum sollte sie eigentlich nicht genießen, dass sie nicht die beste Gesundheit hatte, wenn sie anständig bezahlte? Das finanzierte schließlich die Mrs Crabtrees dieser Welt.
Er saß noch immer regungslos da.
Er war müde – er war so furchtbar müde. Es kam ihm vor, als sei er schon sehr lange so müde. Und irgendetwas suchte er – wollte er ganz dringend.
Plötzlich schoss ihm durch den Kopf: Ich will nachhause!
Er war verblüfft. Woher kam denn dieser Gedanke? Und was sollte das heißen? Nachhause? Er hatte nie ein Zuhause, eine Heimat gehabt. Seine Eltern hatten in Indien gelebt, er war bei wechselnden Verwandten aufgewachsen und hatte die Ferien mal bei diesem, mal bei jenem verbracht. Das erste feste Zuhause, das er je gehabt hatte, stellte er fest, war dieses Haus in der Harley Street.
Aber empfand er das als Heimat? Er schüttelte den Kopf. Er wusste, dass es nicht stimmte.
Aber jetzt war seine medizinische Neugier geweckt. Was hatte er gemeint mit diesem Satz, der ihm einfach plötzlich durch den Kopf geschossen war?
Ich will nachhause.
Daran musste etwas sein – irgendein Bild.
Er schloss halb die Augen – irgendetwas im Hintergrund.
Und plötzlich sah er es vor seinem inneren Auge ganz deutlich – das Tiefblau des Mittelmeers, die Palmen, die verschiedenen Kakteen. Er hatte wieder den heißen Sommerstaub in der Nase und das Gefühl des kühlen Wassers, wenn man länger am Strand in der Sonne gelegen hatte, auf der Haut.
San Miguel!
Er war verwirrt und unangenehm berührt. Seit Jahren hatte er nicht mehr an San Miguel gedacht. Und dahin zurück wollte er mit Sicherheit nicht. Das gehörte in ein vergangenes Kapitel seines Lebens.
Das war doch zwölf, nein vierzehn, fünfzehn Jahre her. Und er hatte es richtig gemacht! Seine Entscheidung war vollkommen richtig gewesen! Er war in Veronica wirklich rasend verliebt gewesen, aber es wäre nie gut gegangen. Veronica hätte ihn mit Haut und Haar verschlungen. Sie war total egoistisch und gab das auch ohne Umschweife zu! Veronica hatte sich fast alles, was sie wollte, einfach gegriffen – nur ihn hatte sie sich nicht greifen können! Er war ihr entwichen. Konventionell gesehen hatte er sie vermutlich schlecht behandelt. Ohne Beschönigung gesagt, er hatte sie sitzen lassen! Aber in Wahrheit hatte er einfach nur die Absicht gehabt, sein eigenes Leben zu leben, und genau das hätte Veronica nie zugelassen. Sie hatte die Absicht gehabt, ihr eigenes Leben zu leben und John wie eine Zugabe mitzunehmen.
Als er abgelehnt hatte, mit nach Hollywood zu ziehen, hatte sie ihn entgeistert angesehen und geringschätzig erklärt: »Also, wenn du unbedingt Arzt werden musst, kriegst du bestimmt drüben auch deinen Doktortitel, aber eigentlich ist das nicht nötig. Du hast genug zum Leben, und ich verdiene einen Haufen Geld.«
Er hatte das vehement zurückgewiesen: »Ich hänge aber an meinem Beruf. Und ich kann mit Radley arbeiten.«
Seine Stimme, diese jugendliche, begeisterte Stimme, hatte sehr ehrfurchtsvoll geklungen.
Veronica hatte naserümpfend gefragt: »Mit diesem alten Muffelkopf?«
»Mit diesem alten Muffelkopf, ja«, hatte John zornig geantwortet. »Der betreibt nämlich die beste Forschungsarbeit zum Morbus Pratt – «
Sie hatte ihn gar nicht ausreden lassen. Morbus Pratt, wen das denn interessiere, hatte sie gesagt, Kalifornien habe so ein wunderbares Klima, und durch die Welt gondeln mache einfach Spaß. »Ohne dich mag ich das alles überhaupt nicht«, hatte sie dazugesetzt. »Ich will dich, John – ich brauche dich doch.«
An der Stelle war er mit dem für Veronica unglaublichen Vorschlag rausgerückt, sie könne doch das Angebot aus Hollywood einfach ausschlagen, ihn heiraten und sich mit ihm in London niederlassen.
Sie hatte das komisch gefunden und weiter fest darauf beharrt, sie gehe nach Hollywood, und sie liebe John, und John müsse sie heiraten und mitkommen. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel an ihrer Schönheit und ihrer Macht.
Er hatte festgestellt, dass ihm nur eins übrig blieb – und das dann auch getan: Er hatte per Brief die Verlobung aufgelöst.
Eine Zeit lang hatte
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