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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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vergessen.
    Aber dann hatte er doch angefangen, auf ihre Fragen zu antworten, zuerst unwirsch, dann immer redefreudiger, und schließlich hatte er Henrietta überschwemmt mit weit ausholenden forschungstechnischen Erläuterungen und Hypothesen. Ein-, zweimal hatte er sich unterbrochen und versucht, alles einfacher auszudrücken: »Weißt du, man bekommt dabei eine Reaktion – «
    »Ja ja, die Donath-Landsteiner-Reaktion muss positiv ausfallen«, hatte Henrietta dazwischengeschoben, »darüber weiß ich Bescheid. Mach weiter.«
    »Woher willst du über die D.L.R. Bescheid wissen?«, hatte er bissig gefragt.
    »Ich habe ein Buch – «
    »Was für ein Buch? Von wem?«
    Henrietta war zu einem Tischchen gegangen und hatte das Buch geholt.
    »Scobell?«, hatte John verächtlich geschnaubt. »Scobell ist nicht gut. Er ist sogar absolut unseriös. Sieh mal, wenn du wirklich etwas lesen willst – nimm nicht – «
    »Ich möchte nur ein bisschen von der Terminologie begreifen, mit der du umgehst – so viel, dass ich dich nicht dauernd um Erklärungen bitten muss. Red weiter. Bis jetzt komme ich gut mit.«
    »Nun ja«, hatte er skeptisch gesagt, »aber denk dran, Scobell ist unseriös.« Dann hatte er weitergeredet, zweieinhalb Stunden lang. Die Rückschläge Revue passieren lassen, Chancen analysiert und mögliche Theorien abzuleiten versucht. Er hatte fast vergessen, dass Henrietta auch da war. Trotzdem hatte ihre schnelle Auffassungsgabe ihm immer wieder, wenn er zögerte, auf die Sprünge geholfen. Sie wusste immer, wovor er sich scheute, beinah eher als er selbst. Er war inzwischen wieder bei der Sache, und sein Glaube an sich kam allmählich wieder durch. Er hatte Recht gehabt, der theoretische Ausgangspunkt war richtig gewesen, und die Vergiftungserscheinungen ließen sich sehr wohl bekämpfen, da gab es mehrere Möglichkeiten.
    Und dann war er schlagartig hundemüde geworden. Die Sache war jetzt klar, er würde morgen Früh wieder drangehen. Er würde Neill anrufen und ihn bitten, die beiden Lösungen zu kombinieren und einen neuen Versuch zu starten. Ja, genau so. Geschlagen gab er sich jedenfalls nicht, bei Gott!
    »Ich bin müde«, hatte er knapp gesagt. »Mein Gott, bin ich müde.« Er hatte sich hingelegt und war augenblicklich in todesartigen Schlaf gefallen.
    Als er wieder wachgeworden war, hatte er Henrietta im Licht des Morgens Tee kochen und ihm zulächeln sehen. Er hatte das Lächeln erwidert. »Das hatte ich mir ja eigentlich anders gedacht.«
    »Ist das wichtig?«, hatte Henrietta gefragt.
    »Nein. Nein. Henrietta, du bist so ein großartiger Mensch.« Sein Blick war zum Bücherschrank gewandert. »Wenn du wirklich Interesse an derlei Kram hast, gebe ich dir etwas Anständiges zum Lesen.«
    »Ich habe kein Interesse an derlei Kram, ich habe Interesse an dir, John.«
    »Scobell liest du jedenfalls nicht«, verfügte er. »Das ist ein Scharlatan.«
    Und Henrietta hatte einfach gelacht. Er hatte keine Ahnung, was sie an seinem Verriss von Scobells Werk zum Lachen fand. Aber damit verblüffte sie ihn immer mal wieder. Und er musste dann immer schmerzhaft erkennen, dass Henrietta imstande war, ihm direkt ins Gesicht zu lachen.
    Das war er nicht gewohnt. Gerda nahm ihn immer todernst. Und Veronica hatte nie an etwas anderes als sich selbst gedacht. Henrietta dagegen hatte so eine Art, den Kopf nach hinten zu werfen und ihn mit einem feinen spöttischen Zug um den Mund aus halb geschlossenen Augen anzusehen, als wolle sie sagen: »Ich muss mir diesen komischen Kauz namens John doch mal genauer ansehen… Ich will ihn mal aus der Ferne ansehen…«
    Auf fast dieselbe Art kniff sie immer die Augen zusammen, wenn sie eine ihrer Skulpturen ansah – oder ein Bild. Sie hatte etwas – verdammt noch mal: etwas Distanziertes. Er wollte aber nicht, dass Henrietta sich von ihm distanzierte. Er wollte, dass Henrietta nur ihn im Kopf hatte und nie ihre Gedanken abschweifen ließ.
    Exakt das, was dir bei Gerda immer so gegen den Strich geht!, stichelte sein innerer Kobold, der eben wieder anfing herumzuhüpfen.
    In Wahrheit benahm er sich völlig unlogisch. Er wusste nicht, was er wirklich wollte.
    Ich will nachhause – was für ein lächerlicher, absurder Satz. Der hatte überhaupt nichts zu bedeuten.
    Jedenfalls, in etwa einer Stunde durfte er raus aus London – durfte er kranke Menschen und ihren ganzen hinfälligen säuerlichen »Mief« vergessen… den Duft der kleinen Holzfeuer und Tannengeruch und feuchtes

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