Das Eulenhaus
gerade ihren Mann erschossen hat? Das wollte Inspektor Grange von ihm wissen.
Und Hercule Poirot verspürte einen jähen Schock, als er überrascht feststellte, dass er bei all seiner langen Erfahrung mit Gewalttaten tatsächlich noch nie einer Frau von Angesicht zu Angesicht begegnet war, die gerade ihren Mann getötet hatte. Wie sah eine Frau unter solchen Umständen eigentlich aus? Triumphierend, entsetzt, zufrieden, benommen, ungläubig, leer?
Irgend so etwas, dachte er.
Inspektor Grange hatte weitererzählt. Poirot schnappte gerade noch das Ende auf: »– wenn Sie erst mal alle Hintergründe eines Falls zusammenhaben, und so etwas kriegen Sie in der Regel von den Dienstboten.«
»Mrs Christow fährt zurück nach London?«
»Ja. Sind zwei Kinder vorhanden. Muss sie fahren lassen. Behalten sie natürlich scharf im Auge, davon kriegt sie aber nichts mit. Sie denkt, sie ist aus allem raus. Kommt mir überhaupt ziemlich dümmlich vor, die Frau…«
Bekam Gerda Christow vielleicht doch mit, was die Polizei dachte, überlegte Poirot – und was die Angkatells dachten? Ausgesehen hatte sie, als ob sie gar nichts mitbekam. Wie eine Frau mit verlangsamten Reaktionen und einem gebrochenen Herzen, vollkommen betäubt vom Tod ihres Mannes.
Sie waren an der kleinen Straße angekommen. Poirot blieb vor seinem eigenen Tor stehen.
Grange fragte: »Ihr Schmuckstück hier? Ist doch ganz behaglich. Na dann, auf Wiedersehen für den Augenblick, Monsieur Poirot. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit. Ich komme gelegentlich mal vorbei und halte Sie auf dem Laufenden, wie wir so vorankommen.«
Sein Blick wanderte die Straße hinauf. »Wer wohnt denn bei Ihnen nebenan? Doch nicht etwa unsere neue Lokalprominenz, was?«
»Miss Veronica Cray, die Schauspielerin, sie kommt, soweit ich weiß, an den Wochenenden.«
»Ach, natürlich. Nach ›Dovecotes‹. Ich fand sie in Lady Rides on Tiger recht gut, aber für meinen Geschmack ist sie zu gebildet. Mein Typ ist mehr Hedy Lamarr.«
Er drehte sich um. »Na dann, Monsieur Poirot – ich muss wieder an die Arbeit.«
»Erkennen Sie den, Sir Henry?« Inspektor Grange legte den Revolver auf den Schreibtisch und sah Sir Henry erwartungsvoll an.
»Ich darf ihn doch in die Hand nehmen?«, fragte Sir Henry und zögerte.
Grange nickte. »War länger unter Wasser. Hat jeden eventuellen Fingerabdruck vernichtet. Bedauerlich, wenn ich das sagen darf, dass Miss Savernake ihn aus der Hand hat rutschen lassen.«
»Ja, ja – aber es war ja doch ein Moment größter Anspannung für uns alle. Und Frauen werden bekanntermaßen leicht nervös und – äh – lassen Sachen fallen.«
Inspektor Grange nickte wieder, sagte aber: »Obwohl Miss Savernake insgesamt eine junge Dame mit einem kühlen und klugen Kopf zu sein scheint.«
Er sagte das ohne jeden Nachdruck, aber irgendetwas an Granges Tonfall provozierte einen scharfen Blick von Sir Henry.
Grange sprach einfach weiter: »Und – erkennen Sie ihn?«
Sir Henry nahm den Revolver hoch und untersuchte ihn. Er notierte die Seriennummer und verglich sie mit einer Liste in einem kleinen ledergebundenen Notizbuch. Dann klappte er seufzend das Buch zu. »Jawohl, Herr Inspektor, er stammt aus meiner Sammlung hier.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Gestern Nachmittag. Wir haben draußen im Garten ein bisschen Zielschießen geübt, und das war eine der benutzten Handfeuerwaffen.«
»Wer hat dabei mit diesem Revolver geschossen?«
»Ich glaube, jeder hat mindestens einen Schuss damit abgefeuert.«
»Mrs Christow auch?«
»Mrs Christow auch.«
»Und nach der Schießübung?«
»Habe ich den Revolver an seinen Platz gelegt. Hierhin.« Er zog eine Schublade des schweren Schreibtischs auf. Sie war halb voll Waffen.
»Sie haben eine große Sammlung Feuerwaffen, Sir Henry.«
»Ein Hobby von mir, seit ewigen Jahren.«
Inspektor Granges Blick blieb nachdenklich auf dem ehemaligen Gouverneur der Hollowene Islands ruhen. Ein feiner Mann war das, sah auch gut aus, genau der Typ, unter dem er selbst gern dienen würde – ja, tatsächlich, entschieden lieber jedenfalls als unter seinem jetzigen Chief Constable. Inspektor Grange hielt nicht viel vom Chief Constable von Wealdshire – ein despotischer Pedant und Speichellecker, der Mann.
Aber er musste wieder an seine Arbeit denken. »Der Revolver war selbstverständlich nicht geladen, als Sie ihn weglegten, Sir Henry?«
»Auf keinen Fall.«
»Und die Munition bewahren Sie – wo
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