Das Eulenhaus
John war doch – war der beste Mann, den man sich denken kann. So gütig, selbstlos – für andere Menschen tat er alles. Alle Welt hat ihn geliebt, Herr Inspektor. Er war ein großartiger Arzt. Der beste und liebste Ehemann. Das muss doch ein Unfall gewesen sein – es muss – es muss!«
Sie zeigte in die Runde. »Fragen Sie, wen Sie mögen, Herr Inspektor. Hier hätte doch niemand John umbringen wollen.« Sie sah alle flehentlich an.
Inspektor Grange klappte sein Notizheft zu. »Danke, Mrs Christow«, sagte er emotionslos. »Das wäre alles für den Augenblick.«
Danach gingen Hercule Poirot und Inspektor Grange gemeinsam durch die Kastanienschonung zum Schwimmbecken. Das, was einst John Christow gewesen und jetzt nur noch »die Leiche« war, hatte die Gerichtsmedizin fotografiert und gemessen und beschrieben und untersucht und inzwischen in die Leichenhalle schaffen lassen. Das Schwimmbecken sah jetzt seltsam unschuldig aus, fand Poirot. Alles an diesem Tag kam ihm eigenartig ungreifbar vor. Außer John Christow – der war nicht ungreifbar. Der hatte noch im Tod zielstrebig und sehr real gewirkt. Das Schwimmbecken war jetzt nicht in erster Linie ein Schwimmbecken, sondern der Ort, wo John Christow gelegen hatte und der Lebenssaft blutrot aus ihm heraus über den Beton in das künstlich blaue Wasser gelaufen war.
Künstlich – an dem Wort hielt Poirot sich einen Moment lang fest. Ja, es hatte alles etwas Künstliches gehabt. Als ob –
Ein Mann in Badehose kam auf den Inspektor zu. »Hier ist der Revolver, Sir«, sagte er.
Grange nahm ihm das tropfende Ding behutsam ab. »Keine Chance für Fingerabdrücke«, stellte er fest, »aber das macht in diesem Fall glücklicherweise nichts. Mrs Christow hatte diesen Revolver in der Hand, als Sie kamen, Monsieur Poirot, ja?«
»Ja.«
»Als Nächstes muss der Revolver identifiziert werden«, sagte Grange. »Ich nehme doch an, dass Sir Henry das für uns tun kann. Ich würde sagen, Mrs Christow hat ihn aus seinem Zimmer geholt.«
Dann sah er sich die Umgebung des Beckens an. »So, jetzt nochmal, damit es keine Unklarheiten gibt. Der Weg unterhalb des Schwimmbeckens führt von den Wirtschaftsgebäuden hoch, und den kam Lady Angkatell entlang. Die beiden anderen, Mr Edward Angkatell und Miss Savernake, kamen aus dem Wald – jedoch nicht zusammen. Er kam den Weg links entlang, sie den rechts, der von dem langen Pfad mit den Blumen oberhalb des Hauses herkommt. Sie standen aber beide auf der entfernteren Beckenseite, als Sie kamen, ja?«
»Ja.«
»Und der Weg hier, neben dem Pavillon, der führt auf die Podder’s Lane. Sehr richtig – den nehmen wir jetzt.«
Grange erzählte beim Gehen, unaufgeregt, aber wie jemand, der viel weiß und im Stillen Pessimist ist.
»Solche Fälle schmecken mir nie«, fing er an. »Hatte letztes Jahr einen – bei Ashridge unten. War Offizier im Ruhestand, der Mann – glänzende Karriere. Die Frau von der netten altmodischen Sorte, ruhig, fünfundsechzig, graue Haare. Sogar noch ganz hübsche Haare, mit einer Welle. War gern im Garten. Geht eines Tages in sein Zimmer, holt seinen Dienstrevolver, geht damit in den Garten und erschießt ihn. Einfach so! Hat natürlich einiges dahinter gesteckt, das man erst mühsam ausgraben musste. So Leute erfinden dann manchmal Märchen über irgendwelche Hausierer! Und wir tun natürlich, als ob wir darauf reinfallen, wenn wir sie vernehmen, aber wir wissen, was los ist.«
»Sie meinen«, sagte Poirot, »Sie haben beschlossen, dass Mrs Christow ihren Mann erschossen hat.«
Grange sah ihn überrascht an. »Nun ja, Sie etwa nicht?«
Poirot gab zu bedenken: »Es könnte aber auch alles so passiert sein, wie sie es erzählt hat.«
Inspektor Grange zuckte die Schultern. »Könnte – ja. Aber die Geschichte ist sehr dünn. Außerdem denken die anderen alle, dass sie ihn umgebracht hat! Sie wissen etwas, das wir nicht wissen.« Er sah Poirot fragend an. »Sie dachten doch auch, dass sie es getan hat, als Sie an den Tatort kamen?«
Poirot schloss halb die Augen. Er war den Weg entlanggekommen… Gudgeons Schritte… Gerda Christow, wie sie über ihrem Mann stand, in der Hand den Revolver, das Gesicht ausdruckslos. Doch, auch er hatte, wie Grange gesagt hatte, gedacht, dass sie es getan hatte… hatte zumindest gedacht, dass er genau den Eindruck bekommen sollte.
Ja, aber das war nicht dasselbe.
Es war eine Inszenierung – zur Täuschung.
Hatte Gerda Christow wie eine Frau ausgesehen, die
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