Das Eulenhaus
verabschiedet haben?«
»Wissen Sie, daran kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern! Wir haben uns längere Zeit unterhalten, das weiß ich noch. Es muss recht spät geworden sein.«
»Er kam mit ins Haus?«
»Ja, ich gab ihm auch einen Drink.«
»Ah ja. Ich hatte gedacht, Sie hätten Ihre Unterhaltung eventuell in – ähm – in dem Pavillon neben dem Schwimmbecken geführt.«
Er sah, wie ihre Lider flatterten.
Das kleine Zögern, bevor sie antwortete, war fast nicht zu merken. »Sie sind aber wirklich ein Detektiv, was? Ja, da haben wir tatsächlich eine Weile gesessen und geraucht und geredet. Woher wissen Sie das?«
Auf ihrem Gesicht lag der erfreute, wissbegierige Ausdruck eines Kindes, das einen Zaubertrick gezeigt bekommen möchte.
»Sie hatten Ihren Pelz dort vergessen, Miss Cray.« Und wie beiläufig setzte er hinzu: »Und Ihre Streichhölzer.«
»Ja, natürlich.«
»Dr. Christow kehrte um drei Uhr morgens ins ›Eulenhaus‹ zurück«, verkündete der Inspektor, wieder fast beiläufig.
»War das schon so spät?« Veronica klang ganz erstaunt.
»Ja, das war es, Miss Cray.«
»Natürlich, wir hatten ja so viel zu besprechen – nach den vielen Jahren, die wir uns nicht gesehen hatten.«
»Sind Sie sicher, dass Sie Dr. Christow tatsächlich so lange nicht gesehen hatten?«
»Ich sagte doch gerade, ich hatte ihn seit fünfzehn Jahren nicht gesehen.«
»Sind Sie wirklich ganz sicher, dass Sie sich da nicht irren? Ich habe eher den Eindruck, Sie hatten ihn sehr wohl und ausgiebig gesehen.«
»Wie um Himmels willen kommen Sie denn auf die Idee?«
»Nun, durch diesen Schrieb, zum Beispiel.« Inspektor Grange zog einen Brief aus der Tasche, sah ihn an, räusperte sich und las laut vor: »Bitte komm heute Morgen zu mir. Ich muss dich sehen. Veronica.«
»Ja-ha.« Sie lächelte. »Klingt wirklich ein bisschen nach Befehl. Hollywood macht einen leider – nun ja, ziemlich arrogant.«
»Dr. Christow befolgte Ihre Aufforderung und kam am nächsten Morgen zu Ihnen ins Haus. Sie hatten Streit. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, worum es bei dem Streit ging, Miss Cray?«
Inspektor Grange hatte seine Geschütze in Stellung gebracht. Ihm entging auch nicht das wütende Blitzen in ihren Augen und ihre ärgerlich zusammengepressten Lippen.
Sie fauchte zurück: »Wir hatten keinen Streit.«
»Doch, hatten Sie, Miss Cray. Und Ihre eigenen letzten Worte waren: ›Ich glaube, ich hasse dich mehr, als ich mir hätte vorstellen können, jemanden zu hassen.‹«
Sie schwieg jetzt. Er fühlte förmlich, wie sie nachdachte – schnell und sorgfältig nachdachte. Andere Frauen hätten einen Wortschwall losgelassen. Aber dafür war Veronica Cray zu intelligent.
Sie zuckte nur die Schultern und konterte leichthin: »Ach so. Noch so ein Dienstbotenmärchen. Mein kleines Hausmädchen hat eine recht lebhafte Fantasie. Man kann Dinge nämlich auf sehr verschiedene Weise sagen. Und ich kann Ihnen versichern, ich habe das nicht melodramatisch gesagt. Die Bemerkung war eher zart flirtend. Wir hatten uns ein bisschen gekabbelt.«
»Der Satz war gar nicht wörtlich zu nehmen?«
»Aber ganz gewiss nicht. Und ich versichere Ihnen auch noch einmal, Herr Inspektor, es ist tatsächlich fünfzehn Jahre her gewesen, dass ich John Christow gesehen hatte. Das dürfen Sie gern nachprüfen.«
Sie hatte sich wieder gefangen und klang gelassen und ihrer selbst sicher.
Grange widersprach weder noch beharrte er auf dem Thema. Er stand auf. »Das wäre alles für den Augenblick, Miss Cray«, sagte er liebenswürdig.
Dann verließ er »Dovecotes«, ging die kleine Straße hinunter und durch das Gartentor von »Resthaven«.
Hercule Poirot starrte den Inspektor ausgesprochen verwundert an und wiederholte ungläubig: »Der Revolver, den Gerda Christow zuerst hielt und der im Folgenden in das Schwimmbecken fallen gelassen wurde, ist nicht der Revolver, aus dem der tödliche Schuss abgefeuert wurde? Aber das ist extraordinaire.«
»Ganz recht, Monsieur Poirot. Frei heraus gesagt, das ergibt alles keinen Sinn.«
Poirot murmelte leise: »Nein, das ergibt keinen Sinn. Aber das muss es doch irgendwie, was, Herr Inspektor?«
Der Inspektor seufzte tief auf. »Genau darum geht es, Monsieur Poirot. Wir müssen einen Dreh finden, damit es Sinn ergibt – aber im Augenblick finde ich keinen. Fest steht, dass wir nicht viel weiter kommen, bevor wir nicht die Waffe finden, die tatsächlich benutzt wurde. Und die kam ja wohl
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