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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Spitzbergen aufgebrochen, außerdem ist das Wetter hundsmiserabel …« Der Steuermann spuckte erneut ins Wasser. »Die Expedition dieser Verrückten ist gescheitert. – Sie wissen das genauso gut wie ich.«
    Ja, er wußte es. Aber falls er sich irrte und jemand überlebt hatte, wollte er ihn nicht auf Gedeih und Verderb dieser Einöde ausliefern. Lieber würde er in der Hölle schmoren, als den Anker vorzeitig zu lichten.
    Der Steuermann starrte den Kapitän von der Seite an. »Sie haben einen Narren an diesem Jungen gefressen, nicht wahr«, stellte er fest.
    Ja, auch das stimmte. Alexander Berger, dieser junge Arzt aus Wien mit dem dünnen Seitenscheitel und den stechend schwarzen Augen, die sofort erkannten, ob jemand etwas taugte oder nicht, erinnerte ihn an seine eigene Jugend, an seinen Drang, etwas bewegen zu wollen, das Leben auszukosten und nicht in vorgegebenen Bahnen zu ersticken. Genau darum ging es. Gerade deshalb wollte er dem Jungen eine Chance geben, alt zu werden. Gott mochte ihm und seinen Kameraden gnädig sein.
    »Wir bleiben«, wiederholte der Kapitän. Womöglich benötigten sie seine Hilfe – und er wußte nur zu gut, was es bedeutete, wenn das eigene Leben am seidenen Faden hing.
     
    *
     
    Als sich das Wetter am nächsten Morgen noch immer nicht besserte und von Alexander Berger und den anderen nichts zu sehen war, gab Anderson Befehl zum Ankerlichten und Segelsetzen.
    Das mußten sich die Matrosen nicht zweimal sagen lassen. Eilig kletterten sie in die Wanten. Die Kette rasselte. Sobald der Wind auffrischte, blähten sich die Segel wie der Bauch eines Wals. Der Steuermann übernahm das Ruder.
    »Zwei Männer ins Krähennest!« befahl Anderson. »Wir steuern in den Fjord.«
    Plötzlich erstarb das Stiefelgetrampel. Es wurde totenstill an Deck. Nur der Wind pfiff über die Planken. Die Männer verharrten in der Bewegung.
    »Kapitän?« fragte der Steuermann.
    »Neuer Kurs in den Fjord!« wiederholte der Kapitän.
    Niemand rührte sich.
    »Seid ihr taub?« brüllte Anderson.
    Der Proviantmeister ließ demonstrativ das Tau fallen. »Unsere Ware verdirbt.«
    Der Eislotse tat es ihm gleich. »Die Isländer haben noch nie jemanden bezahlt, der zu spät liefert!«
    »Die Isländer werden schon nicht verhungern«, konterte Anderson.
    Sämtliche Männer murrten – nur Doc Travis stand stumm vor dem Kajütenabgang. Offensichtlich war er der einzige, der sich Anderson nicht in den Weg stellen würde.
    »Ruhe!« rief Anderson, als das Geraune zunahm. Betont langsam legte er die Hand auf den Knauf der Schußwaffe, die in seinem Gürtel steckte. »Wollt ihr das Leben einer Handvoll Männer riskieren, nur um rechtzeitig eine Fuhre Kartoffeln zu löschen?« Er blickte seinen Steuermann warnend an.
    Dieser zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht. »Ihr habt es gehört, Männer! Neuer Kurs: der Hornsundet-Fjord!« Mißmutig drehte er das Ruder herum.
    Übellaunig verrichteten die Männer ihre Arbeit.
    Eine Stunde später nahm Anderson Fahrt vom Schiff. Der Fjord wurde enger. Eisschollen trieben längsseits des Schoners oder barsten krachend unter dem Bug. Nur noch langsam drang die Skagerrak in das Innere der Insel vor. An der Steuerbordseite war das Ufer flach, doch links erhob sich eine mächtige Steilklippe aus dem Wasser.
    Angestrengt suchte Anderson jeden Winkel mit dem Fernglas ab, doch wegen des Schneegestöbers war kaum etwas zu erkennen. Von Zeit zu Zeit gab der Eislotse einen Warnschuß aus dem Krähennest ab, jedoch ohne eine Antwort zu erhalten.
    Als sie das Ende des Fjords erreichten, klarte der Himmel für einen Moment auf. Die Temperatur war mit minus fünfundzwanzig Grad erträglich, zumindest erträglicher als in den letzten Wochen. Sie ankerten in der Bucht, und Anderson schickte einen Suchtrupp unter Leitung des ersten Steuermanns ins Eis. Nach wenigen Stunden kamen die Männer zurück. Sie hatten am Ufer ein Hügelgrab aus Steinen entdeckt, es aber so belassen wie es war.
    »Vor knapp zwei Wochen wurde dort unten ein Norweger begraben«, brüllte der Steuermann vom Beiboot zu Anderson herauf. »Die Expedition ist gescheitert. Lassen Sie uns umkehren.«
    Zornig beugte sich Anderson über die Reling. »Und wo sind die Männer, die ihn begraben haben?« Er zog die Waffe aus dem Gürtel und feuerte in die Luft.
    Nachdem auch der Eislotse mehrere Warnschüsse abgegeben hatte, bekamen sie endlich die lang ersehnte Antwort, als in der Bucht ein Schuß krachte.
    Sie starrten allesamt zum

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