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Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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abwartete. Nach einer Pause sprach er weiter. »Aber es genügt nicht zu wissen, was richtig und was falsch ist. Man braucht auch die Kraft, das zu tun , was richtig ist – selbst dann, wenn ausgerechnet das, was man mehr als alles andere auf der Welt will, das Falsche ist.«
    Und damit drängte er sein Pferd weiter und löste den Kontakt zu Raisas Hand.
    Nachdem sie etwa eine Meile zurückgelegt hatten, hörte Raisa ein Geräusch: ein dumpfes, düsteres Tosen, das lauter wurde, je näher sie kamen.
    Während sie sich unterhalten hatten, waren die anderen bereits weitergeritten. Jetzt kehrte Mick zu ihnen zurück. »Es sind die Kaskaden der Drynnefälle, Korporal. Wir sollten vorsichtig sein. Wir sind schon fast über ihnen.«
    Dabei war es nicht so, dass man auf sie stoßen konnte, ohne gewarnt zu werden. Denn schon ein Stück weiter vorn verhüllte eiskalter weißer Nebel den Weg. Während sie weiter- und in ihn hineinritten, bekam Raisa eine Gänsehaut, und ihre Haare hingen in nassen Strähnen herab. Wasser tropfte von ihrer Nase. Amon zog den Kragen seiner Uniformjacke enger und strich sich nasse schwarze Strähnen aus der Stirn.
    Jetzt, da sie so dicht am Fluss waren, konnte Raisa den schwachen, aber vertrauten Gestank ihrer Geburtsstadt riechen. Sie rümpfte die Nase.
    Eine niedrige Mauer säumte die Straße zu beiden Seiten. Weiter vorn teilte sich der Fluss, strömte um einige große felsige Inseln herum und schäumte durch mehrere enge Stromschnellen. Je mehr sie sich der Böschung näherten, desto unruhiger wurde Switcher; sie tänzelte nervös herum und warf den Kopf hin und her.
    An dieser Stelle bog die neue Straße nach Osten ab und führte in einer Reihe von Haarnadelkurven zum Talgrund hinunter. Die alte Straße dagegen folgte dem Fluss weiter geradeaus. Sie war kaum breiter als ein Felspfad.
    Garret wartete an der Gabelung. »Es stimmt, Korporal. Die neue Straße ist unpassierbar. Sie ist weniger als eine Meile von hier zerstört worden.«
    Und jetzt?, dachte Raisa. Würden sie nach Westgate zurückkehren müssen, noch einmal an Micah Bayar vorbei? Diesmal hatten sie vielleicht nicht so viel Glück.
    »Dann werden wir wohl die alte Straße nehmen müssen«, sagte Amon.
    Du meinst die, bei der wir uns mit unseren Nägeln an den Fels krallen müssen?, dachte Raisa.
    »Alle absteigen!«, rief Amon und sagte dann zu Raisa: »Sei vorsichtig. Die Steine sind glitschig, selbst für die Pferde. Wenn sie sich erschrecken, springen sie geradewegs über die Kante.«
    Die Grauwölfe schwangen sich aus ihren Sätteln und packten nervös die Zügel ihrer Pferde. Sie gingen weiter, und der seltsame graue Kies, der den Weg bedeckte, knirschte unter ihren Stiefeln.
    Und dann plötzlich hatten sie den Rand der Welt erreicht – zumindest kam es Raisa so vor – und blickten auf ein Meer aus Nebel. Über dem Klippenrand zogen Falken ihre Kreise und Spiralen und ließen sich von Aufwinden nach oben tragen.
    »Bei der Herrin des Lichts«, flüsterte Raisa. Leichter Schwindel ergriff sie, und sie machte einen Schritt zurück, als könnte das sich unaufhörlich bewegende Wasser sie mit sich reißen. Amon griff nach ihrem Arm und hielt sie fest.
    Die Drynne ergoss sich über die Kante eines breiten Überhangs und stürzte donnernd ins Tal hinunter. Dort, wo der Fluss über die Kante schoss, war das Wasser tiefgrün, doch es explodierte zu schaumiger Gischt, wann immer es auf dem Weg nach unten auf irgendwelche Felsen prallte. Nebel sammelte sich in ihren Haaren und auf ihrer Kleidung und gefror, sodass sie innerhalb kürzester Zeit aussahen wie eine Gruppe von silberhaarigen Alten.
    Dies war ein heiliger, geschichtsträchtiger Ort. Während des Eroberungskriegs der Magier war Königin Regina, die letzte freie Königin des alten Geschlechts, mit einer kleinen Armee von Getreuen am Rande dieser Böschung in die Enge getrieben worden. Sie hatte ihre Töchter über die Klippe geworfen und war dann selbst hinuntergesprungen, um ihre Gefangennahme zu verhindern. Aber der Fluss hatte sich geweigert, die Königin und die Prinzessinnen zu verschlingen, sondern ihren Aufprall gemildert und sie unten am Ufer lebendig ausgespuckt. Es war ein Wunder, das durch die Hand des Schöpfers geschehen war.
    Danach hatte Regina ihren stolzen Kopf in dem Wissen gebeugt, dass ihr Geschlecht überleben sollte und die Erlösung irgendwo in der Zukunft lag. Die Königinnen hatten daraufhin dreihundert Jahre in Gefangenschaft gelebt, bevor sie

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