Das Experiment
zu schützen. Dann richtete sie sich auf und humpelte zur Tür.
Eine Explosion hinter sich ließ Kim wieder zu Boden stürzen. Sie schrie vor Schmerz auf, weil sie auf ihren verletzten Arm gefallen war. Wahrscheinlich war der Brennstoffbehälter der Lötlampe explodiert. Nichts war jetzt wichtiger, als schnellstens ins Freie zu kommen.
Sie rappelte sich mühsam hoch und taumelte nach vorn, wankte durch die Tür und humpelte in den strömenden Regen hinaus. Sie hinkte die ganze Strecke bis an den Rand der Kiesfläche vor der Burg und biß bei jedem Schritt die Zähne zusammen, um sich von den Schmerzen in Arm und Knie nicht aufhalten zu lassen. Dann drehte sie sich um, hielt sich die unverletzte Hand über die Augen und blickte auf die Burg zurück. Das alte Gebäude brannte wie Zunder. Man konnte bereits hinter den Gaubenfenstern im Dachgeschoß die Flammen lodern sehen.
Ein Blitz tauchte kurz die ganze Umgebung in hellen Schein. Kim kam die Szene wie ein Bild aus der Hölle vor. Sie schüttelte angewidert und erschüttert den Kopf. Der Teufel war wahrhaftig nach Salem zurückgekehrt.
Epilog
Samstag, 5. November 1994
»Wo willst du zuerst hin?« fragte Kinnard, als er und Kim durch das Tor auf das Stewart-Gelände fuhren.
»Das weiß ich eigentlich nicht«, sagte Kim. Sie saß auf dem Beifahrersitz und stützte mit der rechten Hand den Gipsverband, der ihren linken Arm einhüllte.
Sie blickte zu Kinnard hinüber. Die fahle Herbstsonne, die schräg durch die Bäume fiel, huschte über sein Gesicht und hellte seine dunklen Augen auf. Er war ihr eine große Hilfe gewesen, und sie war ihm sehr dankbar, daß er mit ihr hierhergefahren war. Seit der schicksalhaften Nacht war ein Monat vergangen, und dies war Kims erste Rückkehr auf ihren Besitz.
»Nun?« fragte Kinnard und verlangsamte die Fahrt.
»Laß uns zur Burg fahren«, entschied Kim. »Das heißt, zu dem, was noch von ihr übrig ist.«
Kinnard bog nach rechts ab. Vor ihnen ragte eine schwarze Ruine auf. Nur die Steinmauern und Kamine standen noch.
Kinnard hielt vor der Zugbrücke an, die jetzt zu einem geschwärzten leeren Türbogen führte.
»Das ist schlimmer, als ich erwartet habe«, sagte er. Er sah zu Kim hinüber und spürte ihre Nervosität. »Wenn du nicht willst, brauchst du nicht hineinzugehen.«
»Ich will aber«, erklärte Kim. »Irgendwann muß ich es doch tun.«
Sie stiegen aus und liefen einmal um die Ruine herum. Hineinzugehen versuchten sie nicht.
»Man kann sich kaum vorstellen, daß hier jemand lebend herausgekommen ist«, meinte Kim.
»Zwei von sechs ist auch nicht gerade viel«, wandte Kinnard ein. »Außerdem sind die beiden noch keineswegs über den Berg.«
Sie hatten inzwischen eine kleine Bodenerhebung erreicht, die ihnen einen Blick auf die ganze Brandstelle erlaubte. Kinnardschüttelte angewidert den Kopf. »Was für ein passendes Ende für eine grausige Geschichte«, meinte er. »Die Behörden wollten es zuerst absolut nicht glauben, bis der Zahnvergleich eines der Opfer mit den Bißmalen an den Gebeinen des toten Landstreichers Übereinstimmung zeigte. Du zumindest mußt dich doch jetzt rehabilitiert fühlen. Zu Anfang haben die dir doch kein Wort geglaubt.«
»Ich denke, sie haben es erst tatsächlich geglaubt, als Edward und Gloria im Krankenhaus wieder eine Metamorphose durchmachten«, sagte Kim. »Das war der eigentliche Beweis, nicht die Bißspuren. Die Leute, die das miterlebt haben, haben bestätigt, daß es im Schlaf geschah und daß weder Edward noch Gloria die geringste Erinnerung daran hatten, was geschehen war. Erst das hat die Leute veranlaßt, mir zu glauben.«
»Ich habe dir sofort geglaubt«, sagte Kinnard und wandte sich Kim direkt zu.
»Ja, das hast du«, sagte Kim. »Dafür bin ich dir dankbar, und für vieles andere auch.«
»Aber ich wußte ja auch, daß sie ein unbekanntes Präparat geschluckt hatten«, sagte Kinnard.
»Das habe ich dem Staatsanwalt von Anfang an gesagt«, wandte Kim ein. »Aber das hat ihn nicht sonderlich beeindruckt.«
Kinnard blickte wieder auf die eindrucksvollen Ruinen. »Dieser alte Bau muß schrecklich schnell abgebrannt sein«, sagte er.
»Das Feuer hat sich so schnell ausgebreitet, daß es mir fast wie eine Explosion vorkam«, sagte Kim.
Kinnard schüttelte erneut den Kopf, diesmal mit einem Gefühl der Dankbarkeit und zugleich des Staunens. »Wirklich ein Wunder, daß du da herausgekommen bist«, sagte er. »Es muß schrecklich gewesen sein.«
»Das
Weitere Kostenlose Bücher