Das Experiment
betraten, schlug Kim vor, diesmal auf dem Dachboden und nicht im Weinkeller weiterzusuchen. Edward war einverstanden, doch als sie oben ankamen, mußten sie feststellen, daß es dort extrem heiß war. Es wurde auch nicht besser, nachdem sie alle Mansardenfenster geöffnet hatten.
»Irgendwie habe ich das Gefühl, daß du keine Lust mehr hast«, stellte Kim fest. Edward hatte sich zwar eine Schublade mit ans Fenster genommen, aber er sah versonnen nach draußen.
»Tut mir leid, aber meine Gedanken kreisen ständig um diese neuen Alkaloide«, erklärte er. »Ich kann es kaum noch abwarten, mich im Labor an die Arbeit zu machen.«
»Warum fährst du nicht einfach zurück und machst es?« fragte Kim. »Ich kann doch später mit dem Zug nach Hause fahren.«
»Okay«, stimmte Edward zu. »Aber ich werde den Zug nehmen.«
Nach einem kurzen Wortwechsel willigte Kim ein, denn am späten Nachmittag würde es für sie schwierig werden, zum Bahnhof zu kommen.
Sie fuhren gemeinsam nach Salem, und auf halber Strecke fiel Kim plötzlich ein, daß auf dem Rücksitz Elizabeths Schädel lag.
»Das ist doch kein Problem«, sagte Edward. »Ich nehme ihn einfach mit.«
»Im Zug?« fragte Kim entsetzt.
»Warum denn nicht?« erwiderte Edward. »Er ist doch in der Kiste.«
»Ich bestehe darauf, daß du ihn so schnell wie möglich in den Sarg zurücklegst«, bekräftigte Kim noch einmal. »Und zwar bevor die Leitungen verlegt sind, denn dann wird der Graben wieder zugeschüttet.«
»Was ich vorhabe, dauert nicht lange«, versuchte Edward sie zu beruhigen. »Ich hoffe nur, daß ich in dem Schädel etwas finde, das ich für eine Probe verwenden kann. Wenn nicht, könnte ich es vielleicht noch mit der Leber versuchen.«
»Eins verspreche ich dir«, sagte Kim mit Nachdruck. »Der Sarg von Elizabeth wird nur einem einzigen Zweck noch einmal geöffnet – damit du den Schädel zurücklegen kannst. Vergiß nicht, daß mein Vater sich hier manchmal rumtreibt; außerdem kennt er den Bauunternehmer.«
Sie brachte Edward bis zur Bahnhofstreppe. Er nahm die Kiste vom Rücksitz und stieg aus.
»Wollen wir uns später zum Essen treffen?« fragte er.
»Heute lieber nicht«, erwiderte Kim. »Ich muß mich mal um meine Wohnung und die Wäsche kümmern. Außerdem habe ich morgen Frühdienst.«
»Dann können wir wenigstens telefonieren«, schlug Edward vor. »Abgemacht«, versprach Kim.
Obwohl Edward gerne mit Kim zusammen war, war er froh, wieder in seinem Labor zu sein. Zu seiner freudigen Überraschung war sogar Eleanor da. Sie war irgendwann nach Hause gegangen, um zu duschen und zu schlafen, doch nach vier oder fünf Stunden war sie wieder zurückgekommen. Sie sei einfach zu aufgeregt, sagte sie, und habe es zu Hause nicht ausgehalten.
Als erstes zeigte sie Edward die Ergebnisse der Massenspektrometrie. Sie war inzwischen absolut sicher, daß sie es mit drei neuen Alkaloiden zu tun hatten. Nachdem sie am Morgen mit Edward telefoniert hatte, hatte sie alle Resultate noch einmal gründlich überprüft; demnach war es ausgeschlossen, daß die Meßergebnisse von irgendwelchen bereits bekannten Verbindungen herrührten.
»Haben wir noch mehr Sklerotien zur Verfügung?« fragte Edward.
»Ein paar«, erwiderte Eleanor. »Kevin Scranton hat versprochen, uns noch weitere zu schicken, aber er weiß noch nicht, wann er soweit ist. Die wenigen, die wir noch haben, wollte ich nicht alle opfern, bevor ich mit dir gesprochen hatte. Wie willst du die Alkaloide trennen? Mit organischen Lösungsmitteln?«
»Am besten nehmen wir das Kapillar-Elektrophorese-Gerät«, erwiderte Edward. »Falls nötig, können wir auch eine elektrokinetische Mizellen-Kapillar-Chromatographie durchführen.«
»Soll ich einen Rohextrakt verwenden – wie bei der Massenspektrometrie?« fragte Eleanor.
»Nein«, erwiderte Edward. »Wir extrahieren die Alkaloide mit destilliertem Wasser und füllen sie mit einer schwachen Säure aus. So habe ich es auch in dem Biologielabor gemacht, und es hat prima funktioniert. So bekommen wir reinere Proben und erleichtern uns die Strukturaufklärung.«
Als Eleanor gerade zu ihrem Arbeitsplatz zurückgehen wollte, griff Edward nach ihrem Arm und hielt sie zurück. »Bevor du anfängst, die Alkaloide zu isolieren, möchte ich dir noch etwas anderes zeigen«, sagte er. Ohne weitere Vorwarnung öffnete er die Klempnerkiste und holte den mumifizierten Schädel heraus. Eleanor schreckte instinktiv zurück, als er ihr den makabren Gegenstand
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