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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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so lange zurück. Man liest eher gleichgültig etwas über ein Thema – und plötzlich wird man davon gepackt. Das Studium des Okkultismus ist faszinierend. Alle diese seltsamen Dinge, an die die Menschen glaubten – und all der Blödsinn, den sie aus diesem Glauben heraus taten.«
    Ich lachte. »Das klingt erfrischend. Ich bin froh, dass Sie nicht alles glauben, was Sie lesen.«
    »Sie müssen mich nicht nach der armen Sybil beurteilen. O ja, ich habe genau gesehen, wie erhaben Sie sich fühlten. Aber Sie irren sich trotzdem. Ich gebe zu, dass Sybil viel dummes Zeug redet. Aber trotzdem: Sie besitzt die Kraft.«
    »Die ›Kraft‹?«
    »Ich wüsste nicht, wie man es anders bezeichnen könnte. Es gibt zweifellos Menschen, die eine lebende Brücke bilden zwischen dem Diesseits und einer Welt der unheimlichen Mächte. Sybil gehört dazu. Sie ist ein erstklassiges Medium, aber sie tut es natürlich nie für Geld. Ihre Gabe ist unvergleichlich, einmalig! Wenn sie und ich und Bella…«
    »Bella?«
    »O ja, auch Bella verfügt über eine gewisse Kraft… wie wir alle, in verschiedenem Maß. In der Zusammenarbeit…«
    Thyrza Grey brach mitten im Satz ab.
    »Also so etwas wie eine Zauberer-GmbH?«, schlug ich lächelnd vor.
    »Man könnte es fast so bezeichnen.«
    Ich blickte auf das Buch, das ich gerade in der Hand hielt.
    »Nostradamus und all das.«
    Sie nickte. »Nostradamus und all das.«
    »Sie glauben wirklich daran?«
    »Ich glaube nicht daran – ich weiß es.« Es klang triumphierend. Ich hob den Kopf, um sie anzusehen.
    Sie wies mit der Hand auf die langen Bücherreihen.
    »Ich habe all das gelesen. Sehr vieles davon ist Unsinn – aber der Kern, der übrig bleibt, ist Wahrheit.«
    »Ich kann Ihnen da nicht ganz folgen.«
    »Mein Lieber, weshalb sind die Menschen zu allen Zeiten zu den Nekromanten, den Zauberern und Hexenbeschwörern gelaufen? Dafür gibt es nur zwei Gründe, weil es auch nur zwei Dinge gibt, die den Leuten von jeher wichtig genug waren, um dafür sogar die Verdammnis einzutauschen: Liebestränke und Gift.«
    »Ach?«
    »Sehr einfach, nicht wahr? Liebe – und Tod. Der Zaubertrank, um den Mann zu gewinnen, den man liebt – die schwarze Messe, um den Erkorenen zu halten. Ein Gebräu, das bei Vollmond eingenommen werden muss – Beschwörungen im Namen des Teufels und aller bösen Geister – das Zeichen von Pentagrammen… all das ist nur äußerlicher Humbug. Was bleibt, ist einzig der Liebestrank.«
    »Und – der Tod?«, fragte ich.
    »Tod?« Sie lachte auf eine Art, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. »Sind Sie denn so interessiert am Tod?«
    »Wer wäre es nicht?«, bemerkte ich leichthin.
    Sie schaute mich forschend an.
    »Tod, ja. Damit wurde seit Urzeiten noch mehr Handel getrieben als mit Liebestränken. Und doch – auf welch kindische Art geschah das früher! Die Borgias und ihr berüchtigtes Geheimgift. Wissen Sie, was es wirklich war? Ganz gewöhnliches weißes Arsenik. Genau das gleiche, was auch heute noch die kleinen Giftmörder in den Hinterhöfen benutzen. Aber heute sind wir längst über diese primitiven Mittel hinaus. Die moderne Wissenschaft hat die Grenzen viel weiter gezogen.«
    »Mit nicht nachweisbaren Giftstoffen?«, fragte ich zweifelnd.
    »Gifte! Pah, Kinderei! Heute eröffnen sich ganz andere Horizonte.«
    »Zum Beispiel?«
    »Der Geist des Menschen selbst. Das Wissen, wozu er fähig ist, wie weit man ihn lenken kann.«
    »Bitte fahren Sie fort! Das alles ist höchst interessant!«
    »Das Grundprinzip ist seit Jahrhunderten bekannt. Bei den primitiven Völkern wurde es von den Medizinmännern genutzt. Man braucht sein Opfer nicht zu töten – man befiehlt ihm einfach zu sterben.«
    »Also Suggestion? Aber die ist doch nur wirksam, wenn das Opfer selbst daran glaubt.«
    »Sie wollen damit wohl sagen, dass das Mittel bei Europäern nicht anwendbar ist. Oh, oft genug ist es das schon. Aber darum geht es hier gar nicht. Den modernen Weg haben uns die Psychologen gewiesen. Die Todessehnsucht besteht in jedem Menschen und diese Sehnsucht braucht nur gestärkt zu werden.«
    »Das ist wirklich ein interessanter Gedanke.« Meine Worte mussten nach rein wissenschaftlicher Neugier klingen. »Das bedeutet also: einen Menschen so lange beeinflussen, bis er Selbstmord begeht?«
    »Sie verstehen immer noch nicht! Haben Sie denn noch nie von traumatischen Krankheiten gehört?«
    »Doch, natürlich.«
    »Es gibt bekanntlich Menschen, die tatsächlich krank werden,

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