Das fahle Pferd
da nach der Macbeth-Vorstellung gesehen haben – Poppy hieß sie wohl, weiß etwas über die Sache, sonst hätte sie auf Ihre Frage nicht so reagiert.«
»Sicher. Aber sie hat Angst. Sie ist sofort ausgewichen, als ich sie auszufragen versuchte – sie wagte nicht, ein Wort darüber zu sagen.«
»Gerade deshalb kann ich helfen«, erklärte Ginger zuversichtlich. »Mir wird sie manches erzählen, was sie sich bei Ihnen nicht traute. Können Sie es so einrichten, dass wir uns treffen? Ihr Freund, diese Poppy, Sie und ich? Vielleicht bei einer Vorstellung oder bei einem Essen…« Plötzlich sah sie mich zweifelnd an. »Oder wird das zu teuer?«
Ich versicherte ihr, dass ich diese Auslagen noch tragen könnte.
»Und was Sie selbst betrifft…« Ginger überlegte eine Minute und meinte dann langsam: »Ich glaube, Sie könnten am besten bei dieser Thomasina Tuckerton anfangen.«
»Aber wie? Das Mädchen ist doch tot.«
»Und jemand wünschte ihren Tod, wenn Ihre Vermutungen richtig sind. Die Abmachungen dazu wurden mit dem ›Fahlen Pferd‹ getroffen. Da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Stiefmutter oder das Mädchen, mit dem sie wegen des jungen Mannes in Streit geraten war. Vielleicht hat sie ihn der anderen wirklich ausgespannt und wollte ihn heiraten. Das hätte jedenfalls weder der Stiefmutter noch dem anderen Mädchen gepasst. Die eine sowohl wie die andere hätte sich mit dem ›Fahlen Pferd‹ in Verbindung setzen können. Hier lässt sich möglicherweise etwas finden. Wissen Sie, wie das Mädchen hieß?«
»Ich glaube, man nannte sie Lou.«
»Aschblond, strähniges Haar, mittelgroß, ziemlich kurvenreich?«
Ich nickte.
»Das dürfte die gleiche sein, die ich kenne. Lou Elfis. Sie hat selbst etwas Geld…«
»Danach sieht sie aber nicht aus.«
»Das sieht man diesen Mädchen nie an – aber es ist schon so. Jedenfalls hätte sie ohne Schwierigkeiten die Gebühren des ›Fahlen Pferdes‹ bezahlen können – ich nehme doch an, diese drei Frauen verlangen Geld dafür?«
»Das ist anzunehmen.«
»Sie kümmern sich am besten um die Stiefmutter, das liegt mehr auf Ihrer Linie. Suchen Sie die Dame auf…«
»Ich habe keine Ahnung, wo sie lebt.«
»Luigi wusste doch etwas über Tommys Zuhause. Wahrscheinlich kennt er wenigstens die Gegend. Ein paar Telefon- und Adressbücher tun das Übrige. – Gott nein, wie dumm wir doch sind! Sie haben ja die Todesanzeige in der Zeitung gelesen; also müssen Sie nur dorthin gehen und nachsehen.«
»Aber ich brauche einen Vorwand, um mit der Stiefmutter zu sprechen«, meinte ich nachdenklich.
Ginger behauptete, das sei ganz leicht.
»Sie sind doch kein Niemand, will mir scheinen! Ein bekannter Historiker, ein Mann, dessen Namen schon oft in den Zeitungen gestanden hat. Das wird auf Mrs Tuckerton bestimmt Eindruck machen und wahrscheinlich fühlt sie sich höchst geschmeichelt, Sie kennen zu lernen.«
»Und der Vorwand?«
»Ein architektonisches Interesse an ihrem Haus?«, schlug Ginger vor. »Wenn das Haus alt genug ist, lässt sich das schon machen.«
»Das hat aber mit meinen geschichtlichen Forschungen über die Moguln nichts zu tun«, wandte ich ein.
»Das wird sie bestimmt nicht merken.« Ginger war sehr zuversichtlich. »Die Leute bilden sich immer ein, alles, was älter als hundert Jahre ist, müsse einen Historiker oder Archäologen interessieren. Oder wie wäre es mit einem Gemälde? Sie besitzt doch bestimmt verschiedene alte Bilder. Wie dem auch sei: Sie treffen eine Verabredung mit ihr und kochen sie windelweich mit Ihrer Liebenswürdigkeit. Dann erwähnen Sie so nebenbei, Sie hätten einmal ihre Tochter getroffen – ihre Stieftochter. Dabei flechten Sie ein paar Worte über ›Das fahle Pferd‹ ein.«
»Was versprechen Sie sich davon?«
»Sie müssen mit dem Namen natürlich ganz plötzlich und unerwartet herausplatzen – und beobachten, wie sie darauf reagiert. Wenn sie ein schlechtes Gewissen hat, wird sich das bestimmt irgendwie zeigen.«
»Und wenn mir wirklich etwas auffällt – was dann?«
»Nichts. Die Hauptsache ist: Wir wissen, dass wir das richtige Ende des Fadens gefunden haben. Sobald wir dessen sicher sind, können wir mit Volldampf an die Geschichte herangehen.«
Nach einer Pause fügte sie nachdenklich hinzu: »Mir ist noch etwas aufgefallen. Weshalb hat Ihnen diese Thyrza Grey all diesen Hokuspokus so bereitwillig erzählt?«
»Darauf weiß ich nur eine Antwort: Sie ist eben etwas verrückt.«
»Das meine ich
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