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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Land erstickte. Jeden Tag, jede Stunde hinterließ er seine Spuren in der einst blühenden Wirtschaft. Und Betancourt lebte noch, gab sich mit seinen verbrannten Händen im Fernsehen als Bannerträger der Freiheit, stolz darauf, dieses dumme Attentat überlebt zu haben, das man niemals diesen dämlichen venezolanischen Militärs hätte überlassen dürfen. Das nächste würde ganz allein Sache des SIM sein. Abbes erklärte ihm in sachlichen, unpersönlichen Worten die neue Operation: Sie würde in der gewaltigen, durch Fernzündung eingeleiteten Explosion der zum Höchstpreis in der Tschechoslowakei gekauften Bombe gipfeln, die sich jetzt schon im dominikanischen Konsulat in Haiti befand. Es wäre ein leichtes, sie von dort aus im geeigneten Moment nach Caracas zu bringen. Seit 1958, dem Jahr, in dem er beschlossen hatte, ihn in sein jetziges Amt einzusetzen, hielt er täglich mit dem Oberst eine Besprechung ab, in diesem Amtszimmer, im Mahagonihaus oder dort, wo sich Trujillo gerade befand, immer zu dieser
    Stunde. Wie der Generalissimus nahm auch Johnny Abbes niemals Urlaub. Trujillo hatte zum ersten Mal aus dem Mund von General Espaillat von ihm gehört. Der vorherige Chef des Geheimdienstes hatte ihn mit einem präzisen, detaillierten Bericht über die dominikanischen Exilanten in Mexiko überrascht: was sie taten, was sie im Schilde führten, wo sie lebten, wo sie sich trafen, wer ihnen half, welche Diplomaten sie aufsuchten.
    »Wie viele Leute haben Sie in Mexiko, daß Sie so gut über
    dieses Pack informiert sind?«
    »Die ganze Information kommt von einer einzigen Person, Exzellenz.« Navajita gab seiner beruflichen Genugtuung Ausdruck. »Sehr jung. Johnny Abbes García. Vielleicht haben Sie seinen Vater gekannt, einen halbdeutschen Gringo; er hat hier bei der Stromgesellschaft gearbeitet und eine Dominikanerin geheiratet. Der Junge war Sportreporter und ein halber Dichter. Ich hatte ihn anfänglich als Informanten auf die Leute von Rundfunk und Presse angesetzt und auf die Gesprächsrunde in der Gómez-Apotheke, zu der viele Intellektuelle gehen. Er hat das so gut gemacht, daß ich ihn mit einem falschen Stipendium nach Mexiko geschickt habe. Und Sie sehen ja, er hat das Vertrauen des gesamten Exils gewonnen. Er versteht sich gut mit Freund und Feind. Ich weiß nicht, wie er es anstellt, Exzellenz, aber in Mexiko hat er sich sogar mit Lombardo Toledano eingelassen, dem linken Gewerkschaftsführer. Die häßliche Ziege, die er geheiratet hat, war die Sekretärin dieses Oberkommunisten, stellen Sie sich das vor.«
    Armer Navajita! Mit seiner begeisterten Rede brachte er sich Stück für Stück um seinen Posten als Chef des Geheimdienstes, für den man ihn in West Point vorbereitet hatte.
    »Bringen Sie ihn her, geben Sie ihm einen Posten, wo ich ihn beobachten kann«, befahl Trujillo. So war in den Gängen des Regierungspalastes diese plumpe, trübsinnige Gestalt mit den ständig umherhuschenden kleinen Augen aufgetaucht. Er hatte einen unbedeutenden Posten im Informationsbüro inne. Trujillo studierte ihn aus der Ferne. Seit seinen jungen Jahren in San Cristóbal folgte er diesen Intuitionen, die ihm nach einem raschen Blick, einem kurzen Gespräch oder einem bloßen Hinweis die Gewißheit gaben, daß diese Person ihm nützlich sein konnte. Auf diese Weise hatte er eine große Anzahl von Mitarbeitern ausgewählt, und er war nicht schlecht gefahren dabei. Johnny Abbes García arbeitete mehrere Wochen in einem dunklen Büro, wo er unter der Leitung des Dichters Ramón Emilio Jiménez gemeinsam mit Dipp Velarde Font, Querol und Grimaldi angebliche Leserbriefe an die Kolumne »Das öffentliche Forum« der Tageszeitung El Caribe schrieb. Bevor er ihn auf die Probe stellte, wartete er, ohne zu wissen auf was, auf irgendeinen Wink des Zufalls. Das Zeichen kam völlig unverhofft an dem Tag, da er Johnny Abbes auf einem Gang des Regierungspalastes im Gespräch mit einem seiner Minister überraschte. Worüber mochte der gepflegte, fromme, genügsame Joaquín Balaguer mit Navajitas Informanten sprechen? »Über nichts Besonderes, Exzellenz«, erklärte Balaguer bei der täglichen Besprechung. »Ich kannte diesen jungen Mann nicht. Als ich ihn so in die Lektüre vertieft sah, er las nämlich im Gehen, bin ich neugierig geworden. Sie wissen ja, meine Leidenschaft sind die Bücher. Ich war ziemlich verdutzt. Er muß nicht ganz bei Verstand sein. Wissen Sie, was ihn so amüsierte? Ein Buch über chinesische Foltermethoden,

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