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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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statt zu stehen, wie es sich geziemte. Sie hätte über seine Unhöflichkeit hinweggesehen, nachdem sie sich zu einer Unterhaltung herabgelassen hatte. Doch dann hatte ihr Bauch sich in den Vordergrund gedrängt und hatte seinen Hunger hinaustrompetet. Und statt Schweigen zu wahren oder das Bauchgrimmen als seines auszugeben, hatte John Saturnall sie ausgelacht.
    Die Erinnerung daran trieb ihr noch jetzt die Schamröte in die Wangen. Halb angekleidet sah sie vor dem Wandspiegel auf ihren unzuverlässigen Bauch und dachte an das boshafte Grinsen des Grobians. Selbstverständlich hatte sie die Dienerschaft herbeigerufen. Sie hätte schon schreien sollen, als er vor ihr auf dem Fußboden gelandet war ...

    Doch nun hatte er nichts mehr zu bedeuten. Gemmas Enthüllungen im Rosengarten hatten ihn aus ihren Gedanken verdrängt. Kein verkleideter Prinz, sondern der Sohn eines echten Grafen würde nach Buckland kommen. Ein echter Höfling! Jemand, der tatsächlich bei Hofe vorgestellt worden war.
    »Lucy?« Gemma stand in der Tür, wie Lucretia halb angekleidet. »Beeil dich, sonst kommen wir zu spät.«
    Lucretia zupfte an einer Haarsträhne. Sie und Gemma sollten sich vor Mistress Gardiner präsentieren, um Lucretias Einführung bei den Callocks zu proben. Die beiden Mädchen zogen sich ihre Batisthemden über den Kopf; dann griffen sie nach den Schnürleiben. In der Umhüllung des Panzers mit den engen Ärmeln zog Lucretia den Bauch ein. Gemma schob die steife Miederstange des Schnürleibs in ihre Öse. Lucretia drehte sich um, damit Gemma sie schnüren konnte, und stöhnte leise, als Gemma die Schnüre anzog. Dann schlüpften sie in ihre Mieder. Auf die Mieder folgten die Röcke; Gemma ordnete den schweren Stoff um die Taille ihrer Herrin und führte Bänder durch Schnürlöcher.
    Ihr Gesicht würde sie am nächsten Tag pudern, beschloss Lucretia. Sie würde sich die Haare von Gemma aufstecken lassen, wie die Verse es beschrieben. Sie würde ihren Magen mit Haferschleim beruhigen, bis er nichts mehr von sich hören ließ. Sie stellte sich vor, wie der Jüngling vom Pferd stieg, während sie im Eingang zum großen Saal darauf wartete, dass er sie erblickte ...
    Nun war sie eine verkleidete Person, in ihr Kostüm eingenäht und auf die trostlose Bühne von Buckland geschickt, um die Rolle zu spielen, die Mistress Gardiner von ihr erwartete. Und hinter der Wirtschafterin Mister Pouncey. Und hinter dem Haushofmeister ihr Vater. Doch ungeachtet seiner Absichten erspähte sie hinter alldem die verlockend funkelnde Welt, die in den Gedichten geschildert war, wo vornehme Damen sich graziös bewegten und Jungfrauen umworben wurden. Die Welt, die sich Lucretias Mutter für ihre Tochter gewünscht hatte.
    An diesem Abend griff sie wieder zu dem Buch und blätterte müßig darin. Inzwischen war der Einband vom vielen Benutzen gelockert, und
die Seiten begannen sich abzulösen. Da bemerkte sie, dass einige Seiten dicker waren als andere. Mit etwas unterlegt. Sie befingerte sie und erkannte, dass eine lose Seite eingefügt war. Ein vierfach gefalteter Brief. Sie nahm ihn heraus und entfaltete ihn.
    Die Worte ihrer Mutter bedeckten das Blatt Papier; die Handschrift war nicht säuberlich wie in den Gedichten, sondern hastig, als hätte ihre Mutter kaum Zeit gehabt, ihre Gedanken zu sammeln. Gierig verschlang Lucretia den Brief, konzentrierte sich auf einzelne Wörter und Wendungen: mein Herz, nun ist unser Glück wahrhaft vollendet ... in meiner Niederkunft weiß ich um die Unendlichkeit unserer Liebe ... mein Wachsen ist ein Wachsen unser beider Glücks ...
    Mein Wachsen. Das war sie selbst, wurde Lucretia klar. Ihre Mutter schrieb über sie. Sie las eifrig weiter, mit aufgerissenen Augen, als ihre Mutter von dem Glück berichtete, das ihr das Kind bereitete, das in ihrem Bauch wuchs. Lucretias Brust weitete sich, und sie fragte sich, ob durch ihre eigene Freude das Glück ihrer Mutter wieder zum Leben erweckt werden konnte. Dann gelangte sie zu der letzten Zeile.
    Möge all Buckland jauchzen, mein Gebieter, denn meine größte Freude steht bevor. Das Tal wird wieder unserem Geschlecht gehören. Unser großes Glück wird die knöcherne Hand alter Eide abschütteln. Mögen diese alten Eide durch meinen neuen abgelöst werden. Ihr werdet einen Erben haben, mein William. Ich spüre ihn in mir. Ihr werdet einen Sohn haben.
    Die Worte verschwammen vor ihren Augen. Das Papier fiel Lucretia aus der Hand und flatterte zu Boden, wo es mit

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