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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Küchenjungen in der Küche. Scovells Schöpfkelle erschallte jeden Morgen vor Tagesanbruch und brachte den großen Kupferkessel zum Klingen und Dröhnen. Danach eilte der Meisterkoch zwischen den Tischen und Bänken hindurch, kostete, nickte oder schüttelte den Kopf. Henry Palewick klagte, dass so viele Menschen die Temperatur in seinen Vorratskellern ansteigen ließen. In der Vorbereitungsabteilung wurde ein unwilliger Pandar Crockett von Mister Bunce dazu genötigt, zusammen mit den Küchenjungen Salate zu putzen, während Mister Stones Spüljungen ein ständiges Platschen, Klappern und Schimpfen zum allgemeinen Lärm beitrugen.
    Die Küche müsse sich in drei Abteilungen gliedern, verkündete Scovell, entsprechend den Tischen im Saal. König und Königin, ihre ranghöchsten Höflinge und Sir William, Lady Lucretia und die Callocks würden am hohen Tisch sitzen. Darunter, an den nächsten Tischen im großen Saal, kämen die anderen Höflinge des königlichen Haushalts sowie Pater Yapp, Mistress Pole und die übrigen hochrangigen Bediensteten des Gutshauses. Alle Übrigen saßen weiter weg, enggedrängt an den Tischen, die von den Zimmerleuten des Guts aus Brettern zusammengenagelt worden waren.
    Johns Tantalus-Gericht würde dem Kreis des Königs serviert werden. Für den König selbst würden Scovell und Vanian ein großes geschichtetes Schaugericht kreieren, das den Aufbau der Schöpfung versinnbildlichte, von der unbeseelten Kreatur, aus Gemüsen geformt, bis zu König und Königin aus Marzipan und gezogenem Zucker.
    In Scovells Gemach arbeiteten John, Colin Church, Luke Hobhouse und Tam Yallop an ihren Gerichten im Wasserbad, während Mister Vanian den Arbeitstisch hinter ihnen beaufsichtigte. Von dort wurden aufwendige Gebilde zu den Festpavillons hinausgetragen, die auf dem Rasen errichtet waren: Gebäck in Schwanenform, ein Schiff
aus Früchten, eine Tiara aus Zucker, mit Edelsteinen aus Zuckerglasur verziert.
    Die Tage vergingen wie im Rausch. Kaum hatte Johns Kopf den Strohsack berührt, war es schon wieder heller Morgen. Für die Tantalus-Speise hatte er zwei Teigformen gebacken. Der Zuckersirup wartete in einem irdenen Gefäß in Henry Palewicks Keller. Das Zuckerzeug war daneben eingeschlossen. Am Abend vor dem Festbankett wollte er beides noch einmal überprüfen.
    Tam Yallop zwinkerte am anderen Ende der Backstube, als John den Gang entlangkam. Phineas, der den Boden kehrte, blickte auf. In dem kalten Keller standen die Gefäße sicher aufbewahrt auf der höchsten Regalfläche. Er würde sie selbst holen, beschloss John. Simeon war ihm und Philip als Helfer zugeteilt worden, doch Simeon war bekanntermaßen ungeschickt ... Er tauchte einen Löffel in die Flüssigkeit. Die Süße war vollkommen. Zufrieden ging er den menschenleeren Gang entlang zurück. Nun würde er ruhig schlafen können. Seine Lider senkten sich. Dann vernahm er Stimmen.
    Die Stimmen ertönten aus Melichert Roos’ Gewürzkammer, obwohl sich dort um diese Zeit niemand aufhalten sollte, wie John wusste.
    »... mit Lampreten verhält es sich anders«, sagte eine Stimme. »Sie sind so schwierig zu häuten. Mein Rat ist, ein sauberes Mundtuch zu benutzen. Und die Haut langsam abzuziehen. Den Fisch dann noch langsamer zu pochieren. Die Zeit, die es dauert, ein langsames Ave Maria aufzusagen ...«
    »Ihr K-ketzer«, kicherte eine zweite Stimme.
    »Worauf es ankommt, das ist die Brühe«, fuhr die erste Stimme unbeeindruckt fort, »und für sie sind die Zutaten bestimmt ...«
    John stieß die Tür auf.
    Am anderen Ende des Zimmers standen zwei Männer vor Master Roos’ hohen Gewürzregalen. Der eine, in einem prächtigen Seidenwams und mit einer Kerze in der Hand, war fast zwei Kopf größer als der andere, der eine Livree des königlichen Haushalts trug. John erkannte Sir Kenelm Digby.

    »Was tut Ihr hier unten?«, fragte John streng.
    »Tun?«, erwiderte Sir Kenelm in gekränktem Ton. »Bedenkt, mit wem Ihr es zu tun habt, bevor Ihr so anmaßende Worte sprecht.«
    »Ich weiß es sehr wohl«, erwiderte John. »Ihr seid Sir Kenelm Digby, dessen Vater den König in die Luft sprengen wollte.«
    Zu Johns Verärgerung lachte der livrierte Mann in sich hinein. Seine melancholische Miene und sein ordentlich gestutzter Spitzbart kamen John vage bekannt vor. Vermutlich aus der Kapelle, nahm John an.
    »Ihr seid ertappt w-worden, Sir Kenelm«, stotterte der Mann. Er trat zu John. »Aber wie heißt d-der schlaue Bursche?«
    »John Saturnall«,

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