Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Fleisch ist schwach. Und es kann auch mal vorkommen, dass man ein Mädchen ein bisschen rauer anfasst, als man eigentlich vorhat. Das ist nichts, was sich nicht durch ein kleines Extratrinkgeld regeln ließe. Und im Ernst. Das ist über zwanzig Jahre her. Das ist – «
»Verjährt?«, unterbrach ihn Möhrs kühl.
Alle Rücksicht auf etwaige Mithörer seitens Johnsens war schlagartig dahin. »Ich weiß nicht, was das alles hier soll«, blaffte er. »Oder glauben Sie im Ernst, irgendeine Nutte vom Arsch der Welt fährt nach zwanzig Jahren los, um sich an ein paar Seeleuten zu rächen, die sich ihr gegenüber nicht wie Rosenkavaliere benommen haben?«
Ritter fand entweder diese Vorstellung oder aber Johnsens Chuzpe gegenüber einem Bullen offenbar todkomisch, denn er wieherte wie ein Pferd und klopfte sich auf die Schenkel vor Lachen.
Möhrs ließ dem Idioten seinen Spaß. Er wartete ruhig ab, bis Ritter auf einen grimmigen Blick von Johnsen hin verstummt war. »Das hört sich fast so an, als hätten Sie brauchbare Vorschläge, wie die Alternativen aussehen. Ich bin ganz Ohr. In Ihrem eigenen Interesse. Die Einschläge kommen schließlich näher, oder?«
Johnsens Stimme zitterte vor Wut. »Was ist hier los? Warum tun Sie so, als hätten wir uns irgendetwas vorzuwerfen? Wir sind doch hier eindeutig die Opfer. Es ist doch klar, weruns da ins Visier genommen hat. Oder haben Sie schon vergessen, dass Frieder von meiner irren Schwägerin ein Glas ins Gesicht bekommen hat? Und dass es diese Schmiererei an seinem Haus gab? Was ist damit? Haben Sie ihr zwischenzeitlich noch mal auf den Zahn gefühlt, bevor Sie mich so belästigen?«
Möhrs räusperte sich. »Ich habe vergessen, wie belastet das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Schwägerin ist.«
»Und was soll mir das jetzt wieder sagen?«, zischte Johnsen.
»Sie hat gestern versucht, sich das Leben zu nehmen«, antwortete Möhrs trocken.
»Was?«
»Sie haben mich schon verstanden.« Möhrs kramte in seiner Gesäßtasche. »Und das war kein Schuldeingeständnis.« Er warf Johnsen eine seiner Visitenkarten zu. »Ich würde empfehlen, Sie gehen noch mal tief in sich und melden sich dann bei mir. Über die Mobilnummer.« Er deutete auf Ritter, der durch den offenen Mund atmete, als ob sein Gehirn zusätzlichen Sauerstoff benötigte, um die Situation zu verarbeiten. »Das gilt auch für Sie. Ich finde allein raus.« Er klopfte zweimal auf den Tisch und trat den geordneten Rückzug an.
Auf dem Weg zum Auto zog er Bilanz. Direkt verwertbare Erkenntnisse hatte er zwar keine gewonnen, aber er hoffte, so viel Druck auf Johnsen und Ritter aufgebaut zu haben, dass sie vielleicht doch noch auspackten, nachdem sie eine Runde im eigenen Saft geschmort hatten. Und bis dahin hatte er noch ein letztes Ass im Ärmel. »Wenn du bei den Männern nicht weiterkommst, versuch es bei den Frauen«, murmelte Möhrs vor sich hin, schloss den Audi auf und ließ sich zufrieden in den Sitz fallen.
67
Sie schloss die Augen und hielt den Atem an. Sofort stiegen aus dem Dunkel ihrer Seele kostbare Erinnerungen empor.
Hände, auf die ein Hammer niederfuhr. Wieder und wieder, als würde mit jedem dieser Schläge auch der Schmerz in ihrem Innersten immer weiter zertrümmert werden. So lange, bis nichts mehr davon übrig war.
Eine Klinge, die mühelos durch jämmerlich weiche, vor Angst verkümmerte Anhängsel schnitt. Nichts an ihnen war mehr so hart wie damals, als sie unerbittlich in sie hineingerammt worden waren. Wie lächerlich diese blutigen Würmer waren, als sie achtlos beiseitegeworfen zu ihren Füßen lagen.
Weit aufgerissene Augen, die verzweifelt ihren Blick suchten. Als hofften sie darauf, ausgerechnet bei ihr Hilfe zu finden.
Flammen, die auf nackter Haut tanzten.
Sie schlug die Augen auf, strich sich das Haar aus dem Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Sie erkannte sich selbst kaum wieder, so verändert erschien sie sich. Das war kein Opfer mehr, das sie da vor sich sah. Wovor hatte sie sich nur all die Jahre gefürchtet? Sie war dem Feuer dankbar, dass es ihr gezeigt hatte, wie töricht ihre Angst gewesen war.
Sie war sich sicher, dass es Menschen gab, die sie für verrückt gehalten hätten. Doch die allerwenigsten von ihnen hatten erlebt, was sie erlebt hatte. Absolute Ohnmacht. Den viehischen Wünschen und Begierden anderer völlig hilflos ausgeliefert zu sein. Niemand, dem so etwas nicht auch widerfahren war, hatte das Recht, über sie zu urteilen. Niemand.
Einer
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