Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
irgendwie hat man es nie geschafft. Weil man es sich nicht vorstellen konnte. Und wenn es dann passiert, dann ist man wütend auf sich selbst.Wegen der Angst, die man hat. Die Angst, dass es wirklich wahr sein könnte.«
Aus einem offenen Fenster der Kita wehte helles Kinderlachen zu ihnen herüber. Unbeschwert, ehrlich und ohne jede Ahnung davon, wie grausam die Welt bisweilen war.
»Wer ist es?«, fragte Möhrs sanft. »Wen haben Sie im Verdacht? Sagen Sie es mir. Ich verspreche Ihnen, danach wird es Ihnen besser gehen.«
Sie sah ihn an, den Schatten eines traurigen Lächelns im Gesicht. »Das glaube ich nicht.« Ihr Blick wanderte wieder nach oben. »Die ganze Zeit dachte ich, er wäre wegen der anstehenden Hochzeit so komisch. Kalte Füße. Weil sich so viel in unserem Leben ändert.« Sie presste die Hände flach gegen ihren Bauch, wie um eine in ihr aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. »Manchmal ging er nicht an sein Handy. Oder er war kurz angebunden, wenn er es doch tat. Ich fand das nicht schön, aber irgendwie normal. Ab und zu hatte ich das Gefühl, ich würde ihm auf die Nerven gehen. Mit den tausend Sachen, die noch zu klären waren. Das Menü für die Feier. Der DJ. Ob wir richtige Tischkarten wollen. Oder ob wir Gläser mit den Namen der Gäste gravieren lassen und die dann hinstellen, damit jeder weiß, wo er sitzt. Und die ganzen Entscheidungen für unser Haus. Welche Fliesen jetzt ins Bad sollen. Wie wir den Garten anlegen.« Sie schüttelte den Kopf. »Lauter Kleinkram. Aber es hätte mir auffallen können. Spätestens dann, als ich ihn fragte, wo die Dämmplatten für den Speicher sind. Er sagte, er weiß es nicht. Dass sie einer der Handwerker aus Versehen entsorgt hat. Wir könnten doch einfach welche nachbestellen. Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass er sie genommen hat.«
Möhrs fiel wieder ein, was Holt ihm über die besondere Eignung bestimmter Dämmmaterialien als Brandbeschleuniger erzählt hatte. Wie leicht es war, damit ein Feuer zu legen, das binnen kürzester Zeit eine immense Hitze entwickelte. Er hätte sich darüber erfreut zeigen können, wie sich dieHinweise auf die Identität des Feuerteufels nun nach und nach zu einem äußerst stimmigen Gesamtbild fügten. Die zerbrechliche Niedergeschlagenheit der Frau, die da in den Scherben ihres zerbrochenen Traums von einer glücklichen Zukunft vor ihm stand, verbot es ihm.
»Ich habe mich selbst belogen«, sagte sie. Ihre Lippen bebten. »Ich wollte, dass es so ist. Dass er recht hat. Dass die verschwundenen Platten keine Rolle spielen. Es war so leicht, das zu glauben. Sogar viel später noch. Selbst nachdem er Sachen machte, die er mir nicht richtig erklären konnte.« Sie ballte die Hände auf ihrem Bauch zu Fäusten. »Ich … ich …« Ihre Worte gerieten ins Stocken. »Ich bin … mitten in der Nacht aufgewacht … und … und …«
»Und?«, fragte Möhrs mit so viel Vorsicht, wie er aufzubringen vermochte. »Und was?«
»Er war nicht im Bett. Ich habe ihn gesucht. Er saß in der Küche. In voller Montur. Nur den Helm, den hatte er noch nicht auf.« Sie nahm eine Hand vor den Mund, wie wenn sie sich im letzten Augenblick noch daran hindern wollte, etwas auszusprechen, das nicht zurückzunehmen war. »Er saß einfach nur da«, fuhr sie dann fort, »wippte mit dem Fuß und starrte auf das Funkgerät. So … so als ob er genau wüsste, dass er jeden Moment zum Einsatz gerufen wird.«
»Haben Sie ihn darauf nicht angesprochen?«, fragte Möhrs.
»Ich wollte es. Aber ich kam nicht dazu. Ich stand noch in der Tür. Da plärrte das Funkgerät schon. Da war er. Der Einsatz. Er ist aufgesprungen. An mir vorbeigerannt. Ich weiß nicht mal, ob er mich wirklich gesehen hat. Und hinterher, als er zurück war …« Sie zuckte die Achseln. »Ich habe mir eingeredet, dass ich mir das wahrscheinlich eingebildet hatte. Ich hatte ja vorher tief und fest geschlafen. Da kann man schon mal was durcheinanderbringen, oder?« Sie stieß ein Geräusch aus, das halb Schluchzen und halb Lachen war, und wandte sich von Möhrs ab.
»Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte er und fühlte sich an das Gespräch erinnert, das er mit Doris Frigge geführt hatte. An die Schilderungen ihrer Reaktion, als ihr der Mann, den sie liebte, ein schlimmes Verbrechen anvertraut hatte. »Sie haben genau das Richtige getan. Sie hätten ihn nicht beschützt, wenn Sie geschwiegen hätten. Nicht wirklich. Früher oder später wäre mehr passiert, als dass ein
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