Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
massierte sich mit den Handballen beide Schläfen. Irgendetwas an Krankenhausluftbereitete ihm immer Kopfschmerzen. »Dann ist es also wahr. Aber ich verstehe das nicht.«
Özen schaute von ihren Unterlagen auf. »Was? Ich kann dir das alles genau erklären.«
»Ich meine nicht, wie der Rauch und der Ruß dorthin gekommen sind«, brummte Möhrs. Konnte es sein, dass sie am Ende nur ein Faible für begriffsstutzige Männer hatte und ihn in diese Kategorie einordnete? »Mir geht es darum, warum er sich nicht gewehrt hat. Ich dachte noch, er könnte vielleicht betäubt gewesen sein. Oder dass man ihn k. o. geschlagen hat.«
»In der Tatortbeschreibung stand, er wäre ans Bett gefesselt gewesen. War das nur eine vorläufige Vermutung?«
»Nein. Das stimmt schon. Er war gefesselt.« Möhrs rieb sich die Handgelenke. »Holt meinte, mit Zurrdrahtseilen, mit denen man normalerweise die Ladung auf LKWs befestigt. Eines über die Schultern, eines über die Hüfte, eines über die Fußknöchel.« Er fügte hinzu, was ihm der Brandursachenermittler vor seinem Aufbruch nach Lübeck heute Morgen noch zwischen Tür und Angel an neuen Informationen mit auf den Weg gegeben hatte. »Auf diese Weise jemanden zu fesseln geht ruckzuck. Holt hat sogar einen entsprechenden Test gemacht. Sein Bruder hat eine Spedition, und da gibt es diese Seile im groben Dutzend.«
»Es beruhigt mich, dass ich mich nicht getäuscht habe. Durch die Fesselung habe ich mir nämlich auch erklärt, warum die Leiche trotz der erheblichen Verbrennungen nicht in der Fechterstellung war.« Sie verwendete den Fachbegriff für den grausigen Umstand, dass Brandleichen oft mit angewinkelten Armen und Beinen vorgefunden wurden – ein Ausdruck, der Möhrs seit jeher viel zu poetisch für so etwas Makabres war. »Die Fesselung hat der Schrumpfung des Muskelgewebes teilweise entgegengewirkt.«
»Das mag ja sein«, sagte Möhrs. »Aber so eine Matratze ist doch eine weiche Unterlage. Die lässt sich doch leicht eindrücken.Und dann kriegt man die Hände doch auch unter so einem Drahtseil durchgezogen.« Er legte die Arme an den Körper an, streckte die Finger ganz aus und beugte die Ellenbogen, um ihr zu zeigen, wie er sich die Befreiung aus einer derart misslichen Lage vorstellte. »Frieder Jakobs war kein gebrechlicher Mann. Ist früher anscheinend zur See gefahren, wenn ich die Bilder, die in seinem Flur hingen, richtig gedeutet habe. Und so jemand leistet keinen Widerstand, wenn man ihn an seinem Bett festzurren will?«
Sie quittierte seine kleine Ausführung mit einem zweifelnden Blick. »Selbst wenn man es schaffen könnte, sich zu befreien, hätte das Opfer in unserem Fall hier nicht viel mit seinen Händen anfangen können.« Sie nahm zwei Röntgenbilder vom Tisch und klemmte sie an den Leuchtschrank neben ihrer Bürotür.
Möhrs ballte unwillkürlich die Fäuste. Was er da als bizarres Skelettpuzzle vor sich sah, erinnerte ihn an eine Muschel am Strand, die jemand zertreten hatte.
»Ich habe über vierzig Frakturen an der linken Hand gezählt, an der rechten sind es über fünfzig«, sagte Özen. »Stumpfe Gewalteinwirkung. Ein Knüppel, wahrscheinlich eher ein Hammer.«
»Er wurde also misshandelt, bevor er ans Bett gefesselt wurde?«
»Es sieht ganz danach aus.« Sie legte die Aufnahmen wieder an ihrem ursprünglichen Platz auf dem Tisch zurecht. »Und das waren nicht nur ein, zwei Schläge, die man ihm verpasst hat. Das hat schon ein bisschen gedauert.«
»Dann war er dabei wohl auch geknebelt, sonst hätten die Nachbarn etwas gehört«, folgerte Möhrs.
»Entweder das, zumindest so lange, bis er auf dem Bett war und das Feuer brannte. Oder …« Sie fasste sich mit einem Finger an die Unterlippe. »Hat das Haus einen Keller?«
»Hat es.«
»Dann ist es vielleicht dort passiert.«
»So oder so …« Möhrs schüttelte den Kopf. Er hätte sich nicht insgeheim wünschen sollen, endlich mal einen interessanten Fall zu bekommen. »Das war eine vollkommen kaltblütige Nummer. Exakt durchgeplant.«
»Ich will mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber der Täter hatte anscheinend irgendeine Rechnung mit dem Opfer offen.« Ihre Hand wanderte zu einem Foto, das einen tiefen Krater aus schwarz verkohlter Haut irgendwo an der Leiche Frieder Jakobs’ zeigte. »Oder wir haben es mit jemandem zu tun, der wirklich sehr krank ist.«
Möhrs fand zwar, dass man ungeachtet der genauen Gründe ohnehin definitiv krank war, wenn man einem anderen
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