Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Stehtische einzusammeln, bevor das Aufräumkommando aufschlug, um die Buden, Stände und Zelte abzubauen und säckeweise Müll abzutransportieren. Er würde noch ein Weilchen seine Ruhe haben: Mit einem Eintreffen der freiwilligen Helfer war vor der Mittagszeit nicht zu rechnen.
Als er mit der Klappe so weit war, stemmte er die Arme in die Hüften und schaute sich um. Auch wenn er das seiner Alten gegenüber nie eingestanden hätte, tat er sich in letzter Zeit immer schwerer, sich bestimmte Dinge genau zu merken. Nur Kleinigkeiten natürlich. Zum Beispiel, wo er seinen Autoschlüssel hingelegt hatte. Um wie viel Uhr der Elektriker wegen der Stallbeleuchtung hatte vorbeikommen wollen. Oder eben die Ecke der Festwiese, wo er vorgestern seine Tische und Bänke aufgebaut hatte. Sein Kram, den er jedes Jahr für die Feierlichkeiten zur Verfügung stellte, war zwar mit einem gelben J markiert, doch der Buchstabe war auf die Unterseiten der Sitzflächen und Tischplatten gepinselt.
Unschlüssig machte er ein paar Schritte auf die kläglichen Überreste des gewaltigen Scheiterhaufens zu. Gegen halb fünf morgens, als nur noch der harte Kern an Feiernden übriggewesen war – eine kleine Gruppe, zu der sich Jarms mit einigem Stolz rechnete –, hatte die Freiwillige Feuerwehr auf Nummer sicher gesetzt: Das Feuer war zu diesem Zeitpunkt streng genommen an vielen Stellen bereits zu einer rotschwarzen Kraterlandschaft aus glimmender Glut heruntergebrannt und leicht zu löschen gewesen. Die Jungs hatten den Schlauch ihres Löschzugs in einem steilen Winkel in den Nachthimmel gehalten und so eine Art künstlichen Regenguss erzeugt. Zischend und fauchend waren dichte Dampfwolken aufgestiegen, als würde ein wütender Drache, der in der Erde eingegraben war, schnauben und prusten. Jarms grinste zufrieden, als er sich daran erinnerte. So was bekam man nicht alle Tage zu sehen und zu hören. Er ließ den Blick über die Miniatureinöde aus schwarzen Pfützen, breiigem Matsch und den vereinzelten Überbleibseln der Bohlen und Balken streifen, die als Fundament für das darüber aufgeschichtete Brennmaterial gedient hatten. An einem besonders großen Klumpen mit einer durch und durch merkwürdigen Form, die entfernt an einen kurzen Baumstamm erinnerte, aus dem vier knorrige Äste wuchsen, blieb er hängen. Ein namenloses Grauen sprang ihn an. In seinen Eingeweiden begann es heftig zu rumoren, ihm wurde abwechselnd heiß und kalt.
Er hätte sich nur zu gern eingeredet, dass es nur verkohltes Holz war. Dass der Restalkohol in seinem Blut seinen Sinnen einen garstigen Streich spielte. Er blinzelte, kniff die Lider zusammen, wischte sich über die Augen, alles in der Hoffnung, plötzlich nicht mehr das zu sehen, was er da vor sich in der Asche sah. Es nutzte nichts. Er starrte auf eine bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche.
39
»Das musst du dir anschauen«, sagte Katja, als Bernd aus der Dusche kam, und hielt ihm ihr Smartphone entgegen.
»Was?«
»Nun lies schon!«, drängte sie ihn.
Er nahm das Handy und studierte das Display aus nächster Nähe. »Grauenhafter Fund nach Osterfeuer«, murmelte er. »Leiche in der Asche entdeckt.« Den Rest des kurzen Artikels überflog er stumm, aber Katja entging nicht, wie seine Miene dabei grimmiger wurde.
Sie hatte auch kein begeistertes Gesicht gemacht, als sie die Nachricht gelesen hatte, die ihr dank eines Serviceangebots des ›Güstriner Kuriers‹ für technikaffine Leser als Link direkt auf ihr Smartphone geschickt worden war. Seitdem rasten ihr die Gedanken so schnell durch den Schädel, dass sie das Gefühl hatte, sie würden sich schier überschlagen. »Weißt du, was das heißt?«
Er gab ihr das Handy zurück, mit spitzen Fingern, als wäre es plötzlich glühend heiß. »Dass Güstrin ein gefährliches Pflaster ist. Und dass dein dicker Freund von den Bullen im Moment im Dreieck springt. Es wird ihm nicht gefallen, dass die Frau, die hier zitiert wird, nichts Besseres zu tun hatte, als die Lokalpresse darüber zu informieren, was ihr Mann da heute Morgen Schönes entdeckt hat.«
»Denk doch mal nach«, forderte sie ihn auf, ohne ihm die nötige Zeit dafür einzuräumen. »Hier ist irgendetwas mächtig faul. Zwei Leute, die innerhalb von ein paar Tagen verbrannt aufgefunden werden. Das ist kein Zufall. Dahinter steckt mehr.«
»Ich bremse deinen Enthusiasmus nur ungern.« Bernd streifte sich ein Hemd über und begann, es zuzuknöpfen. »Aber wir wissen nicht, ob es eine
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