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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Cottage, dass Ruth die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Wo Horatio lag, wusste sie nicht, sie hörte nur seinen Atem und sprach in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
    Er lachte leise. »Ja, ein Footballstar zu sein, das wäre schön. Aber haben Sie jemals einen Footballspieler mit Brille gesehen?«
    Ruth hörte, wie er sich auf die andere Seite drehte.
    »Und Sie? Wovon träumen Sie?«, fragte er.
    Groß, schlank und schön zu sein, dazu Giraffenbeine zu haben und die Anmut einer Gazelle, dachte Ruth, und natürlich davon, meine Farm zu behalten und eines Tages wundervollen Käse herzustellen, doch sie schwieg.
    »Schlafen Sie gut«, sagte er nach einer Weile.
    »Ja, Sie auch.«
    Ruth musste sich eingestehen, dass Horatios Geschichte sie angerührt hatte. Auch er war also einer, der von niemandem gewollt und gebraucht wurde. Warum kam er mit ihr nach Lüderitz? Wollte er am Ende beweisen, was für ein guter Nama er war? Kam er nur mit ihr, um das »Feuer der Wüste« für sein Volk zurückzuerobern? Oder wollte er es seinen Eltern, den Brüdern und den ehemaligen Schulkameraden zeigen?
    Am nächsten Morgen hatte sich der Wind gelegt. Noch immer jedoch hingen Wolken tief über dem Veld, trist und grau wie ein altes Laken.
    Ruth seufzte. Es würde ein harter Tag werden. Nach all dem Regen würden die Pads aufgeweicht sein und die Weiterfahrt nicht einfach machen. Sie weckte Horatio. Dann tranken sie einen Kaffee, aßen ein paar trockene Kekse und fuhren los.
    Der Motor des Dodge stotterte.
    »Kennen Sie sich mit Automotoren aus?«, fragte Ruth.
    »Wie? Nein, nein. Davon verstehe ich nichts. Ich kann noch nicht einmal ein Auto fahren.«
    Ruth unterdrückte einen Seufzer und warf einen Seitenblick zu Horatio, der den Kopf gesenkt hielt und seine Brille am Zipfel seines Hemdes putzte. Sie war bereits mit zwölf Jahren Auto gefahren. Natürlich nur heimlich und wenn Ian neben ihr am Steuer gesessen hatte, doch seit ihrem vierzehnten Lebensjahr fuhr sie auch öffentlich und sogar in die Stadt. Die meisten, die sie kannte, besaßen keinen Führerschein. Wozu auch? Verkehr gab es in Namibia nicht mehr als Regen in der Wüste. Doch so wichtig der seltene Regen nun einmal für die Wüste war, so wichtig war die Kunst des Autofahrens für diejenigen, die in der Wüste oder an deren Rand wohnten.
    Langsam und ohne viel Gas zu geben fuhr Ruth den Wagen weiter. Sie wich, wo sie konnte, den Wassertümpeln aus, die sich auf der Pad gebildet hatten.
    »Sie verachten mich, nicht wahr?«
    »Was?« Ruth schrak zusammen, als sie Horatios Frage hörte. Sie war hochkonzentriert, hatte den Blick fest auf die schmierige, löchrige Pad geheftet.
    »Sie verachten mich, stimmt’s?«
    »Nein, tue ich nicht. Hören Sie, ich muss auf die Straße achten. Warum in aller Welt sollte ich Sie denn verachten?«
    »Ich kann es Ihrer Stimme anhören. Sie verachten mich, weil ich nichts von den Dingen verstehe, mit denen Sie sich täglich herumschlagen müssen. Ich habe keine Ahnung von Schafen. Ich kann noch nicht einmal auf zwei Ziegen aufpassen. Wenn ein Baum quer über der Pad liegt, weiß ich nicht, wie ich ihn da wegbekommen soll. Es fällt mir schwer, ein Feuer zu entzünden, und von Motoren verstehe ich auch nichts. Sie müssen mich doch verachten. Ein richtiger Mann – egal, ob schwarz oder weiß – sollte all das können.«
    Ruth spürte die Verzagtheit, die Traurigkeit in seiner Stimme. »Männer, die Autos reparieren und Vieh treiben können, kenne ich zur Genüge. Die meisten von ihnen sind behaart wie Schafböcke und riechen auch so.«
    Es waren nicht die tröstenden, mitfühlenden Worte, die Ruth eigentlich hatte sagen wollen, aber Horatio lachte leise und sah wieder aus dem Fenster. Nach einer Weile sagte er: »Wir könnten über Keetmanshoop nach Lüderitz fahren.«
    Ruth runzelte die Stirn. »Keetmanshoop? Was in aller Welt sollen wir da? Ich dachte, wir fahren auf der Straße in Richtung Keetmanshoop, aber nur bis Mariental und biegen dort nach rechts auf eine andere Pad ab.«
    »Keetmanshoop wurde von einem Deutschen erbaut. Viele, die mit den Minen in Lüderitz zu tun hatten, lebten später in Keetmanshoop. Sie sind von der Geisterstadt Kolmanskop dorthin gezogen. Vielleicht finden wir dort Hinweise auf Ihre Großeltern. Vielleicht gibt es auch noch ein paar alte Leute, die früher in Kolmanskop gelebt haben. Außerdem ging früher alle Post über Keetmanshoop. Das alte Postamt steht noch. Vielleicht weiß man dort etwas, das

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