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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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bisschen Romantik in meinem Leben? Um von sich abzulenken, fragte sie mit schief gelegtem Kopf: »Sagen Sie mal, hatten Sie eigentlich jemals eine Freundin?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Hmm, nur so.«
    »Ähem … Ja … hin und wieder … mal auf ein Bier … aber …«
    Ruth ließ Horatio nicht ausreden. »Aha, das habe ich mir doch gleich gedacht! Und wollen Sie auch wissen, warum Sie noch nie eine Freundin hatten? Weil Sie keine Ahnung von Frauen haben, deshalb!« Ohne es zugeben zu wollen, ärgerte sich Ruth auch über sich selbst. Sie hatte doch tatsächlich für ein paar Stunden den eigentlichen Zweck ihrer Reise vollkommen aus den Augen verloren.
    »Ach, und der Champagner gestern Abend hat Sie zur Spezialistin in Liebesdingen gemacht, ja?«, gab Horatio scharf zurück.
    Ruth zuckte mit den Schultern, schwieg einen Moment und legte dann eine Hand auf Horatios Unterarm. »Hören wir auf, uns zu streiten. Schließlich sitzen wir in einem Boot. Wir wollen beide meine Großmutter und das ›Feuer der Wüste‹ finden. Jetzt lassen Sie uns endlich damit anfangen, ehe wir noch mehr Zeit vertrödeln.«
    Horatio setzte zu einer Erwiderung an, aber Ruth stand einfach auf, verließ den Frühstücksraum und stand kurz darauf schon abmarschfertig vor der Pension. Schweigend liefen sie zum Markt. Ruth musterte demonstrativ die vorübergehenden Männer, während Horatio sich bemühte, die Aufmerksamkeit der Frauen zu erregen.
    Plötzlich, sie waren nur noch eine Straßenecke vom Markt entfernt, rief Horatio: »Da! Das ist er!«
    Der Junge sah sich um, erblickte Horatio und rannte los. Horatio folgte ihm eilig.
    Ruth blickte sich um und überlegte kurz, was sie machen sollte. Dann entdeckte sie eine kleine schmale Gasse. Sie hetzte durch die Gasse, stieß dabei fast mit dem Jungen zusammen und packte ihn am Ärmel.
    »Bleib stehen!«, brüllte sie, als er versuchte, sich aus ihrem Griff zu winden. »Halt endlich still, oder ich rufe die Polizei!« Ruth hatte nicht die geringste Ahnung, was sie der Polizei erzählen sollte, aber aus Erfahrung wusste sie, dass die meisten Schwarzen Angst vor den Ordnungshütern hatten. Und tatsächlich verfehlte die Drohung ihre Wirkung nicht. Der Junge zappelte zwar immer noch, aber mit deutlich weniger Energie als zuvor.
    »Wo ist die Kette?«, fragte sie, nachdem auch Horatio sie erreicht hatte.
    Der Junge sah auf den staubigen Boden, kratzte mit dem nackten Zeh ein Muster und schüttelte verstockt den Kopf.
    »Hey, ich rede mit dir!«, fuhr ihn Ruth barsch an. »Wirst du mir gefälligst antworten?«
    Der Junge schüttelte nochmals den Kopf, ohne hochzusehen.
    »Lassen Sie mich mal«, mischte sich Horatio ein. »Ich glaube, von schwarzen Männern haben Sie noch weniger Ahnung als von weißen.« Er trat vor den Jungen, griff nach seinem Kinn. »Sieh die weiße Miss an!«, befahl er und drückte das Kinn des Jungen so hoch, dass sein Blick auf Ruth fallen musste.
    Der Junge schrak zusammen, schluckte und bekreuzigte sich wie ein Christ.
    »Kennst du diese Frau?«, fragte Horatio.
    Der Junge starrte Ruth mit weit aufgerissenen Augen an. »Bist du der Geist der weißen Frau?«, fragte er und wich ängstlich zurück.
    Ruth schüttelte den Kopf. »Denk, was du willst. Wenn es hilft, bin ich eben ein Geist. Wo ist die weiße Frau? Wo ist die Kette?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, schloss ihn aber sogleich wieder. Seine Nasenflügel bebten, aus seinen Lippen war alle Farbe gewichen.
    »Hör zu, ich tue dir nichts. Der schwarze Mann hier ist mein Zeuge. Ich will auch nichts von dir – nicht deine Seele, nicht deinen Körper, noch nicht einmal dein Geld. Nur die Kette will ich sehen. Und ich will wissen, wo die weiße Frau ist.« Sie griff nach dem Hals des Jungen, zog an einem Lederband und förderte den Anhänger zu Tage, der unter seinem Shirt verborgen war.
    Ruth starrte ihn an, als wäre sie es jetzt, die einen Geist vor sich sah. »Das ist das Abbild meiner Großmutter«, flüsterte sie erstaunt und fuhr mit dem Finger zärtlich die in Elfenbein geschnitzten Gesichtszüge nach. Dann packte sie den Jungen bei den Schultern und schüttelte ihn. »Wo ist die Frau? Kennst du sie? Sag mir auf der Stelle, was du von ihr weißt!«
    Da der Junge weiter nur vor sich hin starrte und schwieg, versuchte Ruth es auf eine andere Art. »Wenn du mir erzählst, was du weißt, bekommst du ein Geschenk. Du darfst dir etwas wünschen.«
    Der schwarze

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