Das Feuer von Konstantinopel
sich Felix.
„Ich habe alles mit angehört, Felix. Er spricht die Wahrheit, alles hat sich so zugetragen. Sag’ du ihm, dass Sonja tot ist. Ich kann es nicht. Einer Krähe nimmt man solche Botschaften leider nur allzu übel.“
„Baptist und ich sind Freunde geworden“, flüsterte Felix.
Suleika senkte traurig ihren Kopf: „Dann brauchst du mich von jetzt an ja nicht mehr.“
„Wie kannst du so etwas sagen, oder gar denken!“, empörte sich Felix flüsternd. „Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben.“
Zufrieden mit der Antwort gurrte Suleika vor sich hin.
„Jetzt willst du wissen, was der Kardinal mit dir vor hat, nicht wahr? So ist es doch?“, fragte Suleika und hob dabei ihren Kopf.
„Ja, natürlich. Was weißt du?“, fragte Felix.
„Ich? Ich weiß gar nichts! Merk’ dir das“, gab Suleika zur Antwort.
Felix verstand nicht so ganz, wie die Krähe das meinte. Suleika genoss für einen Moment die Verwirrung.
„Er weiß es...!“, sagte sie schließlich.
Felix blickte auf den schlafenden Baptist.
„Er...? Baptist!? – Aber warum sagt er mir dann nichts, warum warnt er mich nicht?“
„Weil du keine Ahnung davon hast, wie man mit ihm spricht. Lass mich es probieren.“
Langsam und mit Eleganz streckte Suleika ihre schwarzen Flügel wie einen Fächer auseinander. So verdeckte sie den Mond und warf einen Schatten auf das Gesicht von Baptist.
„Baptist...!“, rief sie leise und mit sanfter Stimme. Sie wollte ihn wecken, ohne dass er wirklich wach wurde. „Baptist... Stimme der Prophezeiung... hörst du mich?“
Unruhig warf der schlafende Baptist seinen Kopf hin und her, wehrte mit den Händen Eindringlinge ab, die versuchten, seine Träume zu entern.
„Was machst du mit ihm?“, fragte Felix besorgt. Ihm kam das alles nicht ganz geheuer vor.
Suleika raunzte ihn an: „Ruhig, du dummer Junge! Willst du jetzt mehr wissen, oder nicht?“
Felix verstummte und Suleika wandte ihren Kopf wieder zu Baptist. Ihre Stimme verfiel erneut in den säuselnden Tonfall von eben.
„Oh, sieh nur, Baptist... sieh in die Welt der Offenbarungen, Flamme der Gerechtigkeit, wir bitten dich, erzähle du uns vom Plan des Kardinals...!“
Langsam zog Suleika ihre Flügel wieder ein und gab so den Mond frei. Der ließ sein bleiches Licht auf das Gesicht des Jungen fallen. Ein silberner Schleier bedeckte den Schlafenden. Seine Stimme erhob sich und er sprach:
„Sehet... es ist das Feuer... das Feuer von Konstantinopel... es bringt den Tod! Dem Kaiser den Tod... seht doch!“
Seine Stimme klang ganz ruhig und besonnen. Der Schlaf ließ ihn nicht los, sondern beschützte ihn.
„Was will er uns damit sagen?“, fragte Felix aufgeregt Suleika.
„Lamaspucke und Krötengalle, woher soll ich das wissen?“, fuhr sie Felix an. Auch gegenüber Baptist wurde die Krähe jetzt ungeduldiger.
„Baptist, erzähle uns vom Feuer von Konstantinopel. Was hat es mit dem Tod des Kaisers auf sich? Sprich, Flamme der Gerechtigkeit, sprich...!!!“
„Lass ihn in Ruhe!“ Felix hatte genug. Er sah, wie Baptist sich quälte. „Das sind doch alles nur Hirngespinste.“
Doch Baptist schnellte plötzlich aus dem Schlaf hoch, riss die Augen weit auf und rief laut:
„Blut wird fließen! Blut!!!“
In dem Moment schlug die Dachbodenluke auf und der Kopf von Madame Dolly erschien. Sie war außer sich.
„Was redet ihr da für einen Unsinn!“, schrie sie los. Dabei hörte sie nicht, wie Suleika die Flügel schwang und auf und davon flog. Die Nacht verschluckte sie.
Madame Dolly erklomm den Dachboden nun vollends. Mit dem Fuß trat sich nach Baptist.
„Baptist! Marsch, marsch! Wir haben einen Gast! Hilf’ gefälligst mit dem Gepäck. Wirst du wohl, du fauler Lump!“
Wie ein wild gewordenes Tier tobte Madame Dolly über den Dachboden und riss den beiden Jungen die Zuckersäcke weg. Vom Schlaf völlig benommen blickte Baptist sie an. Verwirrt stammelte er vor sich hin:
„Was gibt es...?! Einen Gast? ...jederzeit, Madame Dolly, stets zu Diensten, bin schon unterwegs!“
Er sprang auf und verschwand, flink wie ein Wiesel, durch die Bodenluke nach unten. Felix wollte hinter ihm her, weg von Madame Dolly. Doch die hielt ihn zurück. Ihre langen Fingernägel bohrten sich in seinen Arm. Sie fauchte wie ein Drachen:
„Du bleibst gefälligst wo du bist, du fieses Bürschchen du!“
Felix versuchte sich aus dem Klammergriff der Hexe zu befreien.
„Ich helfe mit, ich habe Zeit!“, rief er aus. Dabei wollte
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