Das Flüstern der Nacht
rasch Blutflecken ausbreiteten.
Jardir wollte dem Greis ein rasches Ende bereiten, ehe die Schmerzen ihm seine Würde raubten, aber Aleverak fing weder an zu schreien noch bot er an, sich zu unterwerfen. Jardir begegnete dem Blick des alten Damaji und erkannte eine Besessenheit, die keine Schmerzen zuließ, während Aleverak sich mühsam aufrappelte. Sein Ehrgefühl kannte keine Grenzen, als er eine neue Kampfhaltung einnahm und nur den linken Arm in Position brachte, da der rechte verdreht und blutend herunterhing.
»Du kannst meinen Anspruch auf den Schädelthron nicht auslöschen, Damaji «, zischte Jardir, während sie einander langsam umkreisten. »Die meisten Mitglieder deines Stammes sind bereits
auf mich eingeschworen. Ich bitte dich, nimm Vernunft an. Ziehst du ein Grab für dich und deine Söhne einer Stellung als Berater des Shar’Dama Ka vor?«
»Meine Söhne werden dir unseren Stamm genauso wenig kampflos überlassen wie ich«, fauchte Aleverak. Jardir wusste, dass er die Wahrheit sagte, dennoch widerstrebte es ihm, den Alten zu töten. Es waren schon viel zu viele ehrenhafte Männer gestorben, und so kurz vor Beginn des Sharak Ka konnte Ala keinen weiteren entbehren. Flüchtig sah er in Gedanken wieder den Par’chin vor sich, wie er mit dem Gesicht nach unten im Sand lag, und in seiner Beschämung kamen Worte des Erbarmens über seine Lippen.
»Nach deinem Tod darf einer deiner Söhne sich mit einem von meinen Söhnen im Kampf messen«, bot er an. »Sie sollen unter sich ausmachen, wer gegen wen kämpft.«
Unter den Damaji , die sich bereits unterworfen hatten, wurde ärgerliches Getuschel laut, und Jardir musterte sie scharf. »Ruhe!«, donnerte er, und sofort herrschte wieder Schweigen. Er wandte sich wieder an Aleverak:
»Wirst du mir zur Seite stehen, Damaji , wenn Krasia zu neuem Glanz erblüht?«, fragte er ihn. Durch den hohen Blutverlust wurde der Damaji von Sekunde zu Sekunde blasser. Falls er nicht zum Einlenken bereit wäre, sollte Jardir ihn unverzüglich töten, damit er aufrecht starb.
Doch Aleverak verbeugte sich und sah dann auf seine blutende Schulter. »Ich nehme dein Angebot an, wenngleich dieser Zweikampf früher eintreten könnte, als du denkst.«
Er konnte Recht behalten. Jardirs Sohn Maji, den er mit einer Frau aus dem Stamm der Majah gezeugt hatte, war erst elf und wäre jedem von Aleveraks Söhnen hoffnungslos unterlegen, falls der Damaji seiner Verletzung erlag. »Hasik, begleite Damaji Aleveak zu den dama’ting , damit sie ihn heilen können«, ordnete Jardir an.
Hasik ging zu dem Alten, aber der hob abwehrend eine Hand. »Ich dulde keinerlei Behandlung. Möge Everam entscheiden, ob
ich den heutigen Tag überlebe.« Der stählerne Tonfall hielt Hasik zurück. Jardir nickte und wandte sich dann Amadeveram zu, dem letzten Damaji , der noch zwischen ihm und dem auf seinem Thronsessel kauernden Andrah stand.
Amadeveram war jünger als Aleverak, aber immerhin ein Mann in den Siebzigern. Trotzdem hütete sich Jardir, ihn zu unterschätzen, besonders nach seinem Erlebnis mit dem noch viel älteren Geistlichen.
»Mich wirst du töten müssen«, erklärte Amadeveram. »Ich lasse mich nicht mit honigsüßen Versprechungen ködern.«
»Es tut mir leid, Damaji «, entgegnete Jardir mit einer Verbeugung, »aber ich werde alles Notwendige tun, um die Stämme zu einen.«
»Egal, ob du mich jetzt ermordest oder erst dann, wenn dein Sohn die Volljährigkeit erreicht«, höhnte Amadeveram, »es bleibt trotzdem ein Mord.«
»Bis dahin bist du ohnehin tot, alter Mann!«, fauchte Jardir. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Ich will die Vorherrschaft der Kaji erhalten!«, brüllte Amadeveram. »Seit hundert Jahren sitzt einer der unseren auf dem Schädelthron, und das soll auch in den nächsten hundert Jahren so bleiben!«
»Nein«, widersprach Jardir, »das wird es nicht. Unter mir wird es keine einzelnen Stämme mehr geben. Krasia wird wieder zu einem einheitlichen Ganzen zusammenwachsen, wie zur Zeit des Kaji!«
»Da sei dir nicht so sicher!«, knurrte Amadeveram und stellte sich in eine sharusahk -Pose.
»Everam wird dich willkommen heißen«, versprach Jardir und verbeugte sich. »Du besitzt das Herz eines Sharum .«
Weniger als eine Minute später sah Jardir zum Andrah empor, der in jämmerlicher Haltung auf seinem Thron saß. »Du bist eine Beleidigung
für die Schädel der tapferen Sharum , die deinen fetten Hintern stützen«, spuckte Jardir aus. »Komm
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