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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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kein Zufall, dass wir einander wiederbegegnen. Du findest mich, weil du mich finden willst, weil du nach mir suchst, Etage um Etage, Lesesaal um Lesesaal arbeitest du dich vor. Leise öffnest du die Tür, und ich bemerke dich zunächst nicht, denn du schleichst, wie es deine Art ist, schiebst dich an der Wand entlang. In meine Arbeit versunken, hebe ich nicht den Kopf.
    Später sagst du:
    Du hast ganz still gesessen, aber dein Gesicht war in Bewegung, als würdest du dich mit jemandem unterhalten oder streiten. Ich wollte wissen, was in deinem Kopf vorgeht, was du dir dort erzählst. Ich wollte an dir teilhaben.
    Und vorher?
    Und vorher, (sagst du), als wir vor den Schließfächern saßen, habe ich gedacht, wenn du überhaupt mit mir sprichst, dann nur, um mich zu verklagen. Außerdem habe ich damit gerechnet, dass du jede Sekunde nach hinten kippst und entweder ohnmächtig bist oder nur noch wirr sprechen und deinen eigenen Namen nicht mehr wissen würdest.
    Aber als wir einander dieses Mal begegnen, da stehst du mit beiden Beinen fest auf dem Boden, und ich sitze an meinem Tisch, ein Aufgebot an unterschiedlich farbigen Post-its vor mir ausgebreitet. Zunächst bist du erleichtert, denn ich bin genau, wie du mich in Erinnerung hast, und auch das Gefühl, ein plötzlicher Wärmeschauer in deinem Nacken, im Hinterkopf, ist dasselbe. Aber, erzählst du mir später, mein Blick sei abwesend gewesen, und ich habe ernst und kühl ausgesehen, wie die unfreundliche Bibliothekarin unten an der Ausleihe. Sofort fühlst du dich wieder befangen; ratlos stehst du neben einem Bücherregal, darauf hoffend, dass ich den Kopf hebe und dich ansehe und erkenne und lächele. Nichts davon passiert, und du setzt dich an einen Tisch in Fensternähe und beobachtest mich aus den Augenwinkeln. Um nicht unangenehm – oder überhaupt – aufzufallen, nimmst du dir ein Buch aus dem Regal (»Irgendetwas mit Hitchcock und verknoteten Frauen«) und gibst vor, dich darin zu vertiefen. Tatsächlich sitzt die einzige verknotete Frau, für die du dich interessierst, nur wenige Meter entfernt. Du blätterst ein wenig, wartest darauf, dass der Mut in dich einfährt und dich aufstehen und mich ansprechen lässt. Ein paar Minuten vergehen und ein paar Stunden, und bald ist der Tag an uns vorbeigezogen.
    »Du hast mich doch auch gesehen!«, sagst du später. »Du hast doch genau gesehen, wie ich dagesessen und mich nicht getraut habe, dich anzusprechen.«
    »Nein, habe ich nicht, ich habe …«
    »Hast du doch«, sagst du.
    »Nein«, sage ich. »Du weißt genau, dass ich nichts mitbekomme, wenn ich arbeite.«
    (Aber du hattest recht: Ich habe dich doch gesehen.)
    In den folgenden Tagen laufen wir uns oft über den Weg, sorgfältig arrangierte Zufallstreffen, für die wir stundenlang auf dem Flur herumlungern, mit weiter keinem Plan, als den anderen abzupassen, um ihm ein uneindeutiges Lächeln zuzuwerfen. Angespannt stehen wir im fensterlosen Flur der Bibliothek und hantieren nebeneinander her: Räumen umständlich Bücher in Rucksäcke und Rucksäcke in Schließfächer.
    Erst als eines Nachmittags ein unheilvolles Röhren im Schacht einsetzt, sehen wir einander an. Wir schütteln die Köpfe, wir ziehen Gesichter. Dieser Paternoster.
    »Die Verletzung«, flüsterst du. »Ist es noch schlimm?«
    »Nein, nein«, flüstere ich zurück.
    Dann nicken und wippen wir, hin und her, schweigend, die Hände in die Hosentaschen gesteckt, auf der Unterlippe kauend. Weil ich das Schweigen nicht gut aushalten kann, noch nie habe aushalten können, sage ich wenige Sekunden später, ich müsse so langsam los.
    Später sagst du zu mir, dass ich gelangweilt gewirkt habe. So wie jemand, der einen Termin absitzt, einen anstrengenden Bekannten abfertigt.
    Und ich bin tatsächlich angestrengt gewesen, ich habe große Anstrengung darauf verwenden müssen, dich nicht, ganz rotgefleckte Aufregung, stockend nach deinem Namen zu fragen, deiner Nummer, deiner Adresse, irgendetwas, Zahlen oder Buchstaben, mit deren Hilfe ich dich hätte wiederfinden können. Weil ich mich ein wenig vor mir selbst fürchte, winke ich dir höflich zu, nein, förmlich, dann drehe ich mich um. Während ich mich entferne, wünsche ich mir, dass du meinen Namen rufst. Oder nein, ich wünsche es mir nicht, ich erwarte es, ich rechne damit, dass du mich zurückhältst, meinen Namen rufst, den du noch nie gehört hast, den du nicht kennst.
    Als ich wieder an meinem Platz sitze und auf meine Notizen starre,

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