Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
verletzt. »Die Tatsachen in dieser Geschichte sind ohnehin wahnwitziger, als sie die ausschweifende Phantasie eines Dichters hervorzubringen vermag.«
    Anne nickte und schwieg wie zur Entschuldigung. Vor dem Hotel angelangt, wo Adrian den Wagen parkte, schlug Anne vor, noch einen Spaziergang zu machen. Die Sonne stand tief über der Bay, und das blaugrüne Meerwasser blinkte und blitzte in tausend weißen Funken. Aus den rückwärtigen Fenstern des schwimmenden Fischlokals am B-Street-Pier quoll der stinkende Rauch verbrannten Öls, und Fliegende Händler aus dem nahen Mexiko forderten hinter ihren aus Pappkartons errichteten Verkaufsburgen mit witzigen Sprüchen die Passanten auf, es sei notwendig, Hemd oder Hose zu wechseln, hier finde man beides.
    »Ich wage es beinahe nicht zu sagen«, begann Anne zögernd, während sie den Weg nordwärts einschlugen, wo der Verkehr ruhiger wurde, »mir geht die Frau auf der Fotografie nicht aus dem Kopf.«
    »Die Geliebte von Vossius?«
    »Ja, die Geliebte von Vossius.«
    »Was ist mit ihr?« Kleiber stellte sich Anne in den Weg und sah ihr in die Augen.
    Anne machte einen ziemlich ratlosen Eindruck. »Ich erzählte dir doch«, begann sie zögernd, »daß ich auf der Suche nach der Frau, die bei Guido in dem Unfallwagen saß, bei Donat war …«
    »… dem Mann, der sich plötzlich in Luft aufgelöst hat.«
    »Genau bei diesem. – Der Mann, also Donat, hatte eine Frau, querschnittsgelähmt, sie saß im Rollstuhl und konnte kein Glied ihres Körpers bewegen, nur den Kopf.«
    »Was ist mit dieser Frau, sag schon!«
    »Ich glaube, diese Frau im Rollstuhl ist die Frau auf der Fotografie bei Brandons, Vossius' Geliebte.«
    Kleiber ließ von Anne ab, machte zwei Schritte zur Kaimauer und blickte auf die tanzenden Wellen. Er mühte sich vergeblich, den Sachverhalt, so er denn zuträfe, in die bisherigen Erkenntnisse einzuordnen – vergeblich, wie gesagt. »Also hat uns Brandon doch etwas verschwiegen«, sagte Adrian.
    »Er hat nicht gewußt, daß ich mit Hanna Donat eine seltsame Begegnung hatte.«
    »Oder er hat es gewußt und hatte einen Grund, ihre wahre Identität zu verschweigen.«
    »Unsinn«, erwiderte Anne schroff, »dann hätte er ihr einen anderen Namen gegeben.«
    »Er nannte sie bei ihrem Vornamen, Hanna.«
    »Eben. Wir haben auch nicht nach ihrem Familiennamen gefragt!«
    »Und du bist dir sicher, daß diese Hanna Donats Frau ist.«
    »Die angebliche Frau Donats«, korrigierte ihn Anne. »Und sicher bin ich mir keineswegs. Sie sieht ihr nur verblüffend ähnlich; aber ein Unfall mit so schweren Folgen verändert ein Gesicht. Sie könnte es durchaus gewesen sein: Hanna Luise Donat.«
    »Hanna Luise Donat!« rief Kleiber und faßte Anne an den Armen. »Diesen Namen hat doch auch die Frau benutzt, die zusammen mit Guido verunglückte.«
    Im Gesicht Annes spiegelte sich die ganze tiefe Ratlosigkeit des Augenblicks, sie schluckte, aus Verzweiflung, weil auch sie nun nicht mehr weiter wußte, weil ihr von einem Augenblick auf den anderen klar geworden war, daß Guido sie doch nicht betrogen hatte, daß sie sich aussichtslos verfangen hatten in dem Labyrinth aus bösartigen Intrigen und anonymer Angst. Da war sie wieder, jene unbeschreibliche Angst, die an ihrem Körper hochkroch und sich um ihre Kehle legte, daß es ihr schwerfiel zu sprechen, jene unbeschreibliche Angst vor dem Unbekannten, die ihr überall begegnete, die überall auf sie lauerte, Angst.
    Kleiber führte Anne in das Hotel zurück. Und hatte nichts dagegen, daß Anne sich auf ihrem Zimmer mit einer Flasche Malt sinnlos betrank. Als sie eingeschlafen war, verließ Kleiber ihr Zimmer und rief Gary Brandon an, ob Hanna, Vossius' Geliebte, Donat geheißen habe.
    Oh yes , antwortete Brandon, ob er das nicht erwähnt habe?
12
    D ie unerwartete Entdeckung, daß zwischen Professor Vossius und der Frau im Wagen ihres Mannes eine geheimnisvolle Verbindung bestanden hatte, schien Anne völlig aus der Fassung gebracht zu haben. Sie mochte nichts essen und hatte Schwierigkeiten, irgend etwas herunterzuschlucken. Die nervösen, hastigen Mahlzeiten der folgenden zwei Tage endeten meist abrupt, weil Anne vom Tisch aufsprang und sich übergeben mußte. Begann Adrian ein Gespräch, bemerkte er schon nach kurzer Zeit, daß Anne ihm überhaupt nicht zuhörte.
    Und dann kam jener verhängnisvolle Donnerstagmorgen, als Kleiber in seiner Hilflosigkeit Anne in die Arme nahm und mit Zärtlichkeiten überhäufte, streichelte und

Weitere Kostenlose Bücher