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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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asketisch: Kissen von langweiligem Grau auf dem Boden, an der Wand in ähnlich deprimierenden Tönen ein Rundgemälde, das die Grablegung eines unbekannten Ritters darstellte: Eine Menge ehrwürdiger Herren in Spitzenkragen geleiteten ihn auf seinem letzten Weg; der Tote selbst steckte in schwarzem Harnisch mit gespaltenem Brustschild, über dem krähengroß eine blau fluoreszierende Mücke schwebte.
    Über unseren Köpfen befand sich ein breiter Kupferreif, der mit drei Stangen an der Decke befestigt war und beinahe den gesamten Raum einnahm. Irgendwie gab dieser Reif schon auf den ersten Blick zu erkennen, dass er aus sehr alter Zeit stammte.
    Enlil Maratowitsch hing, die Füße hinter den Reif geklemmt, kopfunter mit verschränkten Armen im Raum. Er trug einen Trainingsanzug aus dicker schwarzer Baumwolle; die hinter seinem Kopf hängende Kapuze sah aus wie ein absurd-phantastischer Stehkragen - es hätte ein Kostümentwurf für ein Vampirmärchen bei Mosfilm sein können.
    »Sie sehen aus wie ein Mobilvampir«, sagte Hera.
    »Bitte?«, fragte Enlil Maratowitsch verwundert zurück.
    »Im Fernsehen gabs mal so eine Reklame. Da ging es um Vampire, die nachts ihre Handygespräche führen, um Gebühren zu sparen. Tagsüber schlafen sie, mit dem Kopf nach unten wie Fledermäuse.«
    Enlil räusperte sich beleidigt.
    »Soviel ich weiß«, sagte er, »sparen Vampire keine Gebühren. Sie sparen Reklame.«
    »Das möchte ich bezweifeln, wenn Sie erlauben, Enlil Maratowitsch«, sagte Hera. »Ich glaube ... Nein, ich glaube nicht, ich bin mir absolut sicher, dass seit etlichen Jahren eine weltweite PR-Kampagne zur Rehabilitierung der Vampire läuft. Diese Mobilvampire sind nur ein Beispiel dafür. Das merkt doch jeder Idiot, dass das Vampirreklame ist und keine Tarifreklame. Ganz zu schweigen von Hollywood.«
    Sie hatte recht, das war mir sofort klar. Ich hätte einen Haufen weitere Beispiele parat gehabt, die ihre Ansicht bestätigten. Es muss tatsächlich einen Grund haben, warum die Menschen Vampire so gern idealisieren. Gleich ob man uns als Meister in Fragen des guten Geschmacks darstellt, als düstere Romantiker oder versonnene Träumer - es geschieht immer mit viel Sympathie. Vampire werden von gutaussehenden Schauspielern gespielt, angesagte Popstars stellen uns mit Vorliebe in ihren Videoclips dar. Kein Star, weder im Westen noch im Osten, findet an dieser Rolle irgendetwas Anrüchiges. Das ist wirklich sonderbar: Selbst Verführer Minderjähriger und Grabschänder müssten mit ihrem Tun dem Durchschnittsmenschen näherstehen als wir, doch denen haben Künstler niemals irgendwelche Sympathien entgegengebracht. Während über die Vampire eine anhaltende Woge von Mitgefühl und Liebe niedergeht. Einfach sagenhaft ...
    Erst jetzt ging mir ein Licht auf, woran das lag. Merkwürdig, dass ich nicht früher darauf gekommen war.
    »Das stimmt schon«, sagte Enlil Maratowitsch. »Alle Vampire der Welt werden regelmäßig um Spenden angegangen, wenn wieder einmal ein Vampirfilm fällig ist, damit kein Mensch auf die Idee kommt zu fragen, wer tatsächlich bei ihnen rote Flüssigkeit abzapft und auf welche Weise. Aber das kann natürlich nicht ewig so gehen. Eines Tages wird die Symphonie von Mensch und Vampir kein Geheimnis mehr sein. Und auf diesen Tag muss die Öffentlichkeit beizeiten vorbereitet werden.«
    Der Moment schien mir günstig, die Frage loszuwerden, die mich beschäftigte.
    »Sagen Sie, Enlil Maratowitsch ... Der Flug hierher ... War das denn nun der Große Sündenfall?«
    »Nein.«
    Ich war konsterniert. Enlil Maratowitsch lächelte.
    »Der Große Sündenfall wird sein, eingeweiht zu werden. Eingeweiht in etwas, das ich euch noch heute offenbare. Dafür bräuchtet ihr nach Möglichkeit einen klaren Kopf. Ich schlage vor, ihr macht es euch erst einmal bequem.«
    Dabei deutete er auf den Reif.
    Das Kupfer war wie die Reckstangen in den Turnhallen mit einem transparenten Mantel aus Weichplastik beschichtet. Hera stieg als Erste die Bockleiter hinauf (ich wollte ihr assistieren, doch sie war sehr behände), ich kletterte hinterher und hing im nächsten Moment kopfunter am Reif. Das Blut schoss mir in den Schädel, was ich jedoch angenehm und entspannend fand.
    Hera hing mir gerade gegenüber. Ein Streifen gelbes Licht von der Lampe fiel auf sie. Ihr T-Shirt war ein Stück nach unten gerutscht, der Nabel lag frei.
    »Findest du es hübsch?«, fragte Enlil Maratowitsch.
    Er hatte mich angesprochen. Schnell schaute ich

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