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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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woanders hin.
    »Was meinen Sie?«
    »Na, so zu hängen - behagt dir das?«
    »Ja«, sagte ich, »es ist besser, als ich dachte. Das kommt vielleicht, weil das Bl... ich meine, weil die rote Flüssigkeit in die Zunge strömt?«
    »Genau. Wenn ein Vampir schnell wieder zu Kräften kommen und sich konzentrieren muss, ist das die beste Methode.«
    Da war etwas dran. Mit jeder Sekunde fühlte ich mich besser. Die während des Fluges verausgabten Kräfte kehrten wieder. Kopfunter zu hängen war genauso gemütlich, wie im Sessel am Kamin zu sitzen.
    Ein paar Minuten verstrichen, in denen nicht gesprochen wurde.
    Dann sagte Enlil Maratowitsch: »Heute sollt ihr ein Geheimnis erfahren. Aber erst einmal werdet ihr eine Menge Fragen auf dem Herzen haben. Vielleicht sollten wir damit beginnen.«
    »Ja, sagen Sie, dieser Flug - was war das?«, fragte ich.
    »Das ... war ein Flug.«
    »Ich meine, haben wir das nur geträumt? War es eine Art Trance? Oder war das alles echt? Wie hätte ein zufälliger Zeuge es gesehen?«
    »Die Grundvoraussetzung einer solchen Reise ist«, antwortete Enlil Maratowitsch, »dass ein zufälliger Zeuge nichts davon zu sehen bekommt.«
    »Das ist es, was ich nicht verstehe«, sagte ich. »Wir sind die ganze Zeit an Häusern vorbeigeflogen, mit einem wäre ich beinahe kollidiert. Aber Mitra hat behauptet, keiner könne uns sehen. Wie ist das möglich?«
    »Schon mal was von Tarnkappentechnik gehört? Wir haben es hier mit etwas Vergleichbarem zu tun. Nur dass Vampire keine Radarwellen schlucken, sondern gerichtete Aufmerksamkeit. «
    » Sind wir währenddessen auf dem Radarschirm zu sehen ?«
    »Bei wem?«
    »Egal.«
    »So lässt sich die Frage nicht stellen. Sobald wir auf einem Schirm zu sehen sind, ist der Schirm nicht zu sehen.«
    »Ich schlage vor, das Thema zu wechseln«, sagte Hera.
    »Vorschlag angenommen«, sagte Enlil Maratowitsch.
    »Ich habe eine Vermutung«, fuhr Hera fort. »Ich glaube, ich weiß, wo die Zunge gewohnt hat, bevor sie sich im Menschen einnistete.«
    »Aha. Dann sag!«
    »In dieser Riesenfledermaus, die ich vorhin war?«
    Enlil Maratowitsch ächzte anerkennend.
    »Wir nennen sie die Große Maus. Mighty Bat auf Englisch. Sag nach Möglichkeit bitte nicht Mighty Mouse, wenn du Small Talk mit unseren amerikanischen Freunden treibst. Kommt manchmal vor, dass sich einer von uns verspricht, dann sind sie beleidigt. So ist ihre Kultur, daran lässt sich nichts ändern.«
    »Hab ich denn richtig geraten?«, fragte Hera.
    »Ja und nein.«
    »Was soll das heißen? Ja oder nein?«
    »Dass die Zunge in der Großen Maus gewohnt hat, wäre eine unzutreffende Formulierung. Sie war sie. Vor langer, langer Zeit, vielen Millionen Jahren. Damals liefen noch die Dinosaurier herum, deren rote Flüssigkeit der Großen Maus als Nahrung diente. Von daher sprechen wir vom Schrei der Großen Maus. Das muss man sich vorstellen: dass man einem Menschen, wenn man ihn beißt, heute noch denselben Befehl erteilt, der schon diesen großen Fleischberg seinerzeit willenlos gemacht hat! Das kann ich immer noch nicht fassen. Man möchte niederknien und beten ...«
    Beten zu wem? lag mir die Frage auf der Zunge, doch ich stellte lieber eine andere.
    »Sind diese Urzeit-Riesenmäuse in den Kohleflözen abgelagert? Gibt es Skelettfunde?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Diese Mäuse waren so klug, ihre Toten zu verbrennen. So wie es heutzutage die Menschen tun. Und sowieso waren sie nicht sehr viele. Sie stellten die Spitze der Nahrungspyramide dar.«
    » Seit wann ?«, fragte ich.
    »Seit eh und je. Es war die erste vernunftbegabte Zivilisation auf Erden. Sie hat keine materielle Kultur hervorgebracht: keine Gebäude, keine Gewerbe. Aber das ist kein Beweis für ihren niederen Entwicklungsstand, ganz im Gegenteil. Aus heutiger Sicht könnte man sie ökologisch nennen.«
    »Und was ist mit dieser Zivilisation geschehen?«
    »Eine globale Katastrophe hat sie vernichtet. Vor fünfundsechzig Millionen Jahren ist ein Asteroid auf der Erde eingeschlagen. Da, wo sich heute der Golf von Mexiko befindet. Gewaltige Tsunami-Wellen überfluteten das Festland und schwemmten alles Leben hinweg. Einzig die Große Maus entkam, indem sie sich in die Lüfte erhob. Eine Spur jenes Ereignisses findet sich übrigens in der Bibel: Und die Erde war wüst und leer, und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser ...«
    »Ist ja irre«, sagte ich - nur um etwas zu sagen.
    »Vor lauter Staub ward der Himmel schwarz. Finsternis und Kälte

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