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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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auch den Geist verändern.«
    »Also stimmt es, was mein Onkel mir erzählt hat. Ihr könnt die verdorbene Seele des Menschen neu erschaffen …«
    »Wer den Stein besitzt, wird seine Wirkung sofort verspüren und in den ursprünglichen Zustand zurückkehren, als die Seele betörende Musik war und mit dem Rest des Universums in Einklang stand.«
    »Das ist ja wirklich unglaublich …«
    »Hier von ›unglaublich‹ zu sprechen hieße, sich gegen den Glauben zu wenden. ›Faszinierend‹ wäre wohl passender.«
    Matthieu umrundete den Tisch, auf dem sich die Laborutensilien befanden. Dann ging er zum Ofen hinüber. Er streckte die Hand aus, als wollte er seine Wärme spüren.
    »Sei vorsichtig …«, warnte ihn Charpentier voll väterlicher Besorgnis.
    Newton begann, zwischen Fläschchen herumzukramen, die er in einer hölzernen Truhe aufbewahrte. Er nahm zwei davon heraus.
    »Seht her!«
    »Was ist das?«
    »Die Grundsubstanzen für den Stein der Weisen.«
    »Ihr habt sie bereits?«
    »Hier seht ihr die beiden Elemente, die ich für die Herstellung benutzen werde.«
    »Worum handelt es sich?«
    Newton hob eines der Fläschchen hoch.
    »Das erste ist philosophisches Quecksilber. Es verfügt über Merkmale, die diesem Metall in seiner normalen Form weit überlegen sind.« Er hielt sich das Fläschchen direkt ans Auge, um den Inhalt von nahem zu betrachten. »Ich habe es gewonnen, indem ich gewöhnliches Quecksilber mit einer Legierung aus gesterntem Antimon amalgamierte. Dies ist das Element, von dem ich eben gesprochen habe, eine Ausprägung des schwarzen Drachens in Kristallform mit außergewöhnlichen magnetischen Eigenschaften«, erklärte er kryptisch.
    »Und das andere Material? Es sieht aus wie Gold.«
    »Das ist es auch. Gold ist ein Bestandteil des Steins und verleiht den anderen Metallen, die umgewandelt werden, seine Reinheit. Was mir noch fehlte, war das Prozedere, das eingehalten werden muss, wenn sich die beiden im Schmelztiegel vereinen. Um den Stein der Weisen zu erschaffen und am Ende nicht mit einem Tiegel voll verkohlter Reste dazustehen, muss man einen äußerst exakten Erhitzungsprozess befolgen.«
    »Und dieses Geheimnis können wir der Partitur entnehmen«, schlussfolgerte Matthieu.
    »So ist es. Sie gibt uns die Antwort auf verschiedene Fragen: In welchem Augenblick muss das Material ruhen? Wann muss ich die Hitze erhöhen? Und wie stark? Wann muss ich den Tiegel vom Feuer nehmen? Und nur für einen Moment oder endgültig? Jegliche Veränderung des Prozesses führt zu einer Katastrophe. Daher habe ich immer wieder betont, dass ein einziger Fehler bei der Niederschrift der Melodie vom Ursprung die Partitur unbrauchbar machen würde.«
    »Ihr habt mir aber immer noch nicht verraten, wie man sie lesen muss.«
    Newton zögerte, bevor er dann doch eine Antwort gab: »Die Intervalle der Melodie geben die Länge der Zeitabschnitte vor«, enthüllte er. »Dies hängt mit der Position der einzelnen Note der Melodie ab – auf der dritten, vierten oder fünften Linie der Partitur … Die Stärke der Flamme ergibt sich daraus, ob es sich um halbe, Viertel-, Achtel- oder Sechzehntelnoten oder auch Pausen handelt … Darüber hinaus muss man noch berücksichtigen, ob die einzelnen Phrasen als Legato oder Staccato gespielt werden. Das hört sich alles kompliziert an«, schloss er mit herablassender Stimme, »eigentlich ist es jedoch eine recht simple Art der Verschlüsselung. Musiktheorie ist schließlich auch nichts anderes als eine Erweiterung der Mathematik. Ich kann doch davon ausgehen, dass die Niederschrift fehlerfrei ist?«
    »Die Transkription ist exakt«, erklärte Matthieu, der inzwischen genug davon hatte, dass seine Fähigkeiten in Frage gestellt wurden, noch bevor der Wissenschaftler überhaupt die Arbeit mit der Partitur begonnen hatte.
    Newton sah ihm in die Augen.
    »Das will ich hoffen.«
    Dann wandte er sich ab und begann, sein Instrumentarium vorzubereiten.

2
    M atthieu und Charpentier schoben zwei Stühle neben die Tür und ließen sich darauf nieder, um dem Wissenschaftler nicht im Weg zu sein, der im Raum hin und her huschte. Matthieu sah aufmerksam dabei zu, wie er die Partitur auf dem Tisch ausbreitete und mit äußerster Sorgfalt den Tiegel reinigte, in dem er das Experiment ausführen würde. So in die Arbeit vertieft, wirkte Newton wie ein ganz anderer Mensch. Seine Augen leuchteten vor Aufregung. Nach kurzer Zeit war vor dem Haus ein Geräusch zu hören.
    »Was war das?«
    »Ich

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