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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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leben.«
    »Sobald du auf Gorée gelandet bist, gibt es keine Rückkehr ins Leben. Diese Insel ist der Vorraum zur Hölle. Wenn du einen Fuß auf ihren Strand gesetzt hast, beschützen dich die Geister nicht mehr. Durch die Nasenlöcher fahren sie entsetzt aus deinem Körper und kehren auf den Kontinent zurück.«
    Matthieu war von der Musikalität, die der Griot seinen Worten verlieh, wie gefesselt. Es war faszinierend, hinter der Hülle des verletzten Sklaven einen solchen Menschen zu entdecken.
    »Was kann denn einem Geist Angst machen?«
    »Selbst die Geister können nicht verhindern, dass wir die ›Tür ohne Wiederkehr‹ durchschreiten.«
    Matthieu hatte den Eindruck, dass es auf einmal nach Schwefel roch, als der Griot diesen Namen aussprach.
    »Es gibt immer noch Hoffnung«, behauptete er und dachte daran, in welcher Gefahr seine Eltern schwebten.
    Der Griot betrachtete ihn prüfend, als wolle er in Matthieus Seele lesen.
    »Deine Sprache hat mir ein normannischer Offizier beigebracht«, erklärte er schließlich. »Er stammte aus einer Stadt namens Dieppe, die ich selbst nie besucht habe. Nach seiner ersten Afrika-Expedition ließ er sich mit seiner Familie in Saint-Louis nieder. Ich wusste damals noch nichts über Leben und Tod, denn meine Tage waren mit den Dingen ausgefüllt, die ein Griot eben tut.«
    »Hat er dich gekauft?«
    »Mich hat niemand gekauft.«
    »Und wie kamst du dann nach Saint-Louis?«
    »Das Oberhaupt meines Stammes bot mich den Franzosen als Geschenk an, als Zeichen seiner Gastfreundschaft. Wer über eine Flotte so riesiger Schiffe herrschte, den hielt er auch der Geschichte unseres Volkes für würdig. Er war ein Krieger der Steppe, ebenso alt wie großherzig, und vertraute darauf, von den Neuankömmlingen die gleiche Freundlichkeit erwarten zu können, die er ihnen entgegengebracht hatte.«
    Matthieu war wie in einen Bann geschlagen. Diese Geschichte ähnelte seiner eigenen.
    »Die Antwort war jedoch eine ganz andere …«
    »Ich hatte Glück. Monsieur Sauvigny, der Normanne, an den man mich übergab, war ein guter Mensch. Er brachte mir seine Sprache bei, und ich erzählte ihm alles, was ich über Afrika wusste. Ich half ihm bei seinen Aufgaben, und er behandelte mich wie ein Mitglied seiner Familie. Als der Handel mit Sklaven jedoch ein immer größeres Geschäft wurde, begannen die Franzosen, meine Beziehung zu ihnen mit Argwohn zu betrachten, und ich bat Sauvigny, mich in mein Dorf zurückkehren zu lassen.«
    »Und als du dort warst, kamen Serekundas Männer …«, führte Matthieu die Geschichte für ihn zu Ende. Der Griot schwieg. »Lass uns hinausgehen. Ich brauche frische Luft.«
    Die Tür war verschlossen. Mit plötzlicher Nervosität hämmerte Matthieu dagegen. Kapitän La Bouche schob den Riegel höchstpersönlich zur Seite und öffnete.
    »Kapitän …«
    »Hast du diesen verfluchten Neger gefragt, ob er den Angreifer gesehen hat?«, war das Erste, was er sagte. »Kannst du dich mit ihm verständigen?«
    »Natürlich habe ich ihn gesehen«, antwortete der Griot selbst und ging an ihm vorbei an Deck. Er trat an die Reling.
    Wie Matthieu zuvor war auch der Kapitän verblüfft, dass der Afrikaner ihre Sprache beherrschte, dennoch änderte sich sein abschätziger Gesichtsausdruck kaum. Matthieu schaute ihn mit ausdrucksloser Miene an und stellte sich neben den Schwarzen. La Bouche trat ebenfalls näher, nachdem er wütend ein schlecht aufgeschossenes Tau beiseitegeschoben hatte, das von den Rollen eines Flaschenzugs baumelte.
    »Wer war es? Hast du jemanden von der Besatzung wiedererkannt?«
    Der Griot warf ihm einen hasserfüllten Blick zu.
    »Es war ein Mann … wie Ihr und ich.«
    La Bouche wusste nicht, ob er ihn weiter befragen oder ihn vielmehr auspeitschen lassen sollte.
    »Hast du sonst nichts zu sagen?«
    Der Griot schwieg. Matthieu griff rechtzeitig ein.
    »Was werdet Ihr nun tun?«
    »Du meinst, nachdem ich deinen schwarzen Freund ins Meer geworfen habe?«
    Der Griot spannte jeden Muskel an. Matthieu sah La Bouche ohne Furcht an.
    »Ich meine damit, ob Ihr diese Expedition jetzt verflucht noch mal in die richtigen Bahnen lenken werdet, damit wir unser Ziel rechtzeitig erreichen.«
    In diesem Moment waren Rufe zu hören, die steuerbords vom Bug herrührten. Sie ertönten rechtzeitig, um der Situation die Spannung zu nehmen, verhießen aber nichts Gutes.
    La Bouche wandte sich um. Mit großen Schritten bahnte er sich einen Weg zwischen den Matrosen durch. Der

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