Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
das Gesinde doch gar nicht an. Massimo zog Luft durch seine Zahnlücke ein und nickte. Ja, ein guter Gedanke. Er würde seinen Fürsten fragen, sobald sich eine günstige Gelegenheit ergab. Und nun war es höchste Zeit, Bella zu suchen.
Bella spürte die nasse Novemberkälte nicht. Ihre Holzpantoffeln hielten die Füße warm, und ein dicker Schal schützte sie vor dem Wind. Sie saß auf einem Stein beim Hühnerstall und betrachtete das Federvieh. In ihrem Schoß hielt sie einen Korb mit Eiern, die sie gerade eingesammelt hatte. Sie wollte sich bei ihrem Fürsten für sein Vertrauen mit einem Kuchen bedanken. Als sie Massimo heraneilen sah, schrak sie zusammen. Sie hatte vollkommen vergessen, ihm zu sagen, dass sie zu den Hühnern gehen wollte. Aber der Koch schien ganz andere Dinge im Kopf zu haben, denn er winkte sie schon von Weitem ungeduldig zu sich. Bella gehorchte sofort; sie wusste, dass sie auf Massimos Schutz angewiesen war, und wenngleich der Principe sie gelobt hatte, durfte sie Massimos Autorität nicht umgehen. Fragend sah sie ihn an. Der Koch nahm sie wortlos bei der Hand und zog sie hinter das Hühnerhaus. Er sah sich um und versicherte sich, dass sie ungestört waren.
»Du hast das Herz unseres Fürsten erobert, Magdalena«, begann er zu reden, »und er weiß, dass du aus der Küche in Lucca kommst, dass Gianni Fiore dein Lehrmeister war.«
Bella runzelte die Stirn. Worauf wollte Massimo hinaus?
»Magdalena, du bist immer noch in Gefahr. Die Häscher des Conte di Cavalli suchen weiter nach dir, auch wenn wir das hier nicht spüren. Aber in den Schenken wird so manches erzählt. Es ist also gut, dass der Fürst weiß, wer du bist. So kann er dich schützen, viel besser als ich. Verstehst du?«
Bella nickte; sie war etwas verwirrt.
»Und was mich betrifft«, jetzt grinste Massimo übers ganze Gesicht, »ich habe auch einen klitzekleinen Vorteil. Wir können all die schönen Speisen zubereiten, deren Rezepturen du am Hof von Lucca kennengelernt hast. Ich muss mir nicht so viel ausdenken und weiß doch, alles wird köstlich schmecken.«
»Und wir müssen es nicht einmal heimlich tun«, setzte Bella nach. Allmählich verstand sie, was der Koch ihr zu erklären versuchte. Sie durfte ab heute selbst kochen, all die feinen Soßen und Braten, und sie musste sich nicht mehr verstecken. Für einen Moment lief ein Schatten über das junge Gesicht. Massimo entging es nicht, und er fasste sie am Kinn.
»Ich vermisse Gianni und Rocco«, sagte Bella leise.
Der Koch nickte und wandte sich zum Gehen.
»Komm jetzt, Magdalena, unser Fürst hat Appetit.«
Bella folgte ihm. Die Gedanken an Gianni und Rocco verblassten; sie wusste, ihre Freunde würden sich mit ihr freuen, wenn sie sie jetzt sehen könnten. Es begann ein neuer Abschnitt in ihrem Leben, und sie würde ihren ganzen Ehrgeiz und alles Talent hingeben, um den Principe zufriedenzustellen.
Als sie die Küche erreichten, verstummte das fröhliche Schnattern der Bediensteten. Erwartungsvoll blickten sie Massimo und das Mädchen an. Der Koch machte eine einladende Geste, worauf sich die Schar noch enger um sie sammelte. Dann nickte er Bella zu und reichte ihr die Hand. Schüchtern griff sie zu; sie ahnte, dass er sie in den Mittelpunkt stellen wollte. Und so geschah es. Wie ein paar Wochen zuvor hob er sie auf einen Stuhl, damit sie jeder sehen konnte, und sagte:
»Ihr alle kennt Magdalena. Unser Principe hat sie heute zum Koch ernannt. Sie wird an meiner Seite arbeiten, und ich erwarte, dass ihr ihr folgt, so wie ihr mir folgt. Und nun an die Arbeit.«
Bellas Wangen glühten vor Aufregung. Massimo hob sie vom Stuhl und setzte sie sanft auf dem Boden ab. Seine Augen schimmerten feucht. Wenn er es auch anders erzählt hatte, so wusste er doch sehr wohl, dass Bella ihm nicht zur Seite, sondern vorangestellt worden war. Er war ab heute dem Wohl und Wehe eines kleinen Mädchens ausgeliefert, und die Scham darüber schnürte ihm den Hals zu.
14. KAPITEL
D ie Gaukler waren dabei, ihr Winterlager aufzuschlagen. Hector hatte die Seinen von Siena aus in Richtung Osten geführt, bis nach Umbrien. Hier, im fruchtbaren Val di Chiana, unweit von Arezzo, wollten sie die kalte Jahreszeit verbringen. Die Frauen würden aus den Heilkräutern, die sie über die Monate gesammelt hatten, Tinkturen und Salben herstellen, um sie im kommenden Jahr auf den Märkten zu verkaufen. Sie kannten Rezepturen gegen das Nachlassen der Manneskraft, gegen Fieber und Zahnschmerzen.
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