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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Bracht
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Gaukler erwiderten die Aufmerksamkeit, hoben nun auch ihre Becher und prosteten einander zu. Dann versammelten sie sich im Kreis rund um das Feuer und sprachen die überlieferten Worte nach, die Hector in feierlichem Ton vorgab. Als er das Gebet beendet hatte, nahmen alle einen letzten tiefen Schluck aus ihrem Becher, dann schütteten sie den restlichen Wein darin in die Flammen. So war es Brauch.
    Langsam zerstreuten sich die Gaukler und begaben sich in ihre Wagen. Jetzt, nach der Zeremonie, hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Hector setzte sich ans Feuer und wartete darauf, dass sich Benedetto zu ihm gesellen würde. Und so geschah es auch. Noch bevor die ersten Scheite heruntergebrannt waren, spürte Hector einen Lufthauch neben sich. Dann glitt der junge Zigeuner neben ihn auf den Boden.
    »Du bist lautlos wie ein Schatten, mein Freund«, sagte Hector und reichte Benedetto einen Becher mit Wein. »Ich möchte dich nicht zum Feind haben.«
    Sie tranken und blickten lange stumm in die Flammen. Benedetto fing als Erster zu sprechen an.
    »Du willst, dass ich sie führe, stimmt’s?«
    Hector nickte. Er konnte sich keinen besseren Anführer als Benedetto vorstellen. Momo war noch viel zu jung; wenn ihm, Hector, etwas zustoßen würde, wäre die große Familie ohne Halt. Er betrachtete den Mann neben sich mit väterlicher Zuneigung. In den wenigen Jahren, die Benedetto nun bei ihnen lebte, hatte er seine Fertigkeiten um ein Vielfaches verbessert. Er konnte hervorragend reiten und jagen, war in allem wendig und schnell, und er hatte eine besondere Art, die Menschen von seiner Meinung zu überzeugen. Er würde ein guter Anführer sein. Doch Anführer konnte nur werden, wer Weib und Kinder hatte.
    »Nimm dir ein Weib, Benedetto. Vergiss Jolande, es ist so lange her. Sieh doch, wie es mir ergangen ist. Ich habe mir erst eine Frau gesucht, als es hieß, ich solle sie alle führen. Mehr als vierzig Sommer hatte ich da bereits kommen und gehen sehen, das war viel zu spät … Wer weiß, ob ich es noch erlebe, dass Momo zum Mann wird. Aber du bist jung, stehst in der Blüte deiner Jahre. Es reicht, wenn ich diesen Fehler gemacht habe, mein Freund. Mach du ihn nicht auch.«
    Benedetto stocherte mit einem Ast in der Glut herum. Er war nachdenklich. Seine schöne Jolande. Das war vor einer Ewigkeit gewesen und er noch fast ein Knabe. Der Zigeuner seufzte.
    »Die Auswahl ist nicht gerade groß, Hector.«
    Er lächelte gequält, denn er wusste, wenn sein Anführer wollte, dass er eine Familie gründete, war das ein Befehl.
    »Habibi.«
    Hector sprach den Namen mit einer Zärtlichkeit aus, als gäbe er ihr einen Kuss. Benedetto ließ den Ast langsam sinken und sah seinen Freund ungläubig an.
    »Sie ist eine Hure, das weißt du. Jeder von uns weiß das.«
    »Hat sie deshalb kein Herz?«, fragte Hector. »Ist sie deshalb weniger liebenswert?«
    »Nein«, beeilte sich Benedetto zu versichern, »aber …«
    »Was aber?« Hectors Augen funkelten vor Leidenschaft. »Sie ist eine kluge und schöne Frau. Sie hat sich in unserer Familie nie etwas zuschulden kommen lassen. Aber sie ist allein, sie ist keine der unseren. Wenn du sie zum Weib nimmst, wird sie es besser haben.«
    »Sie verkauft sich an jeden Lumpensammler und an jeden Prete, Hector.«
    Benedetto war aufgestanden. Unruhig ging er am Lagerfeuer auf und ab. Dann blieb er abrupt stehen und sah Hector prüfend an.
    »Es gibt einen Grund, habe ich Recht? Sag ihn mir, Hector, und ich nehme sie zum Weib. An ihrer Umarmung hatte ich noch nie etwas auszusetzen.«
    Nun war auch Hector aufgestanden. Er trat ganz nahe an den anderen heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. Leise sagte er:
    »Es gibt einen Grund, einen sehr guten Grund. Habibi erwartet ein Kind von mir.«
    Benedetto holte tief Luft und schwieg einen Moment.
    »Es könnte von jedem sein. Sie schläft nur selten allein.«
    Hector nickte und trat einen Schritt zurück.
    »Habibi mischt sich Salben … damit sie nicht empfängt. Als wir das letzte Mal beieinanderlagen, war der Tiegel fort … In meiner Lust habe ich gesagt … es wird schon nichts geschehen …«
    Hector raufte sich den dichten schwarzen Bart. Es fiel ihm schwer zu sprechen.
    »Du, Benedetto, bist der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden kann. Und nur dir kann ich dieses Kind anvertrauen. Nimm Habibi zum Weib, sei meinem Kind ein guter Vater. Darum bitte ich dich als dein Freund.«
    In dieser Nacht lagen beide Männer noch lange wach. Hector

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