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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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das vielleicht das Ende meines ohnehin schon ziemlich angekratzten Rufs.
    »Wenn Ihre Arbeit so gut ist wie die eines Mannes, Dr. White, müssen Sie auch die Privilegien annehmen, die uns zustehen.«
    Allgemeines Gelächter, gefolgt von Applaus. Die Herren tranken, seit die Party begonnen hatte. Vermutlich hätten sie allem, was Howlett von sich gab, Beifall gespendet. Sir William hob meine Hand hoch in die Luft, damit alle Anwesenden das Glas sehen konnten. »Auf unsere Partnerschaft!«, rief er. Dann wandte er sich zu mir, schaute mir direkt in die Augen, senkte das Glas und trank einen Schluck. Anschließend bot er es mir an.
    Ich hatte keine Wahl. Seine dunklen Augen zwangen mich. Es war seine Party. Sein Champagner. Sein Toast. Als ich das Glas zum Mund führte, wurde es still im Raum. Und dann wurde gejubelt. Der Geschmack war genau wie in meiner Erinnerung: süß und sauer, mit perlenden Bläschen, die sich in meine Nasenhärchen setzen wollten. Jakob Hertzlichs Gesicht erschien vor mir, spöttisch und melancholisch, und für den Bruchteil einer Sekunde, bevor ich den Gedanken wegschieben konnte, spürte ich seine Hände auf mir, spürte, wie sie unter mein Kleid wanderten.
    Sir William nahm das Glas wieder an sich und leerte es mit einem Schluck. Der Bann war gebrochen, und ich befand mich wieder in der wirklichen Welt, in einem Haus namens Open Arms, bei Menschen, die mir alles Gute wünschten. Dankbar schaute ich meinen Wohltäter an, machte einen Schritt auf ihn zu, um meine Verbundenheit auszudrücken, und schon sank ich in seine Arme.
    Als ich die Augen aufschlug, lag ich im Bett. In einem Zimmer, das ich nicht kannte. Es war ziemlich dunkel, aber erstaunlich warm. Die Laken und das Bettzeug waren dick.
    »›Das Mägdlein ist nicht tot, sondern es schläft …‹«
    Ich drehte den Kopf nach links. Sir William saß in einem Sessel, mit gefalteten Händen, und schaute mich an. Ich versuchte mich aufzurichten, aber gleich begann es in meinem Kopf zu hämmern.
    »Sie bleiben am besten liegen«, sagte Sir William, stand auf und legte mir seine kühle, trockene Hand auf die Stirn.
    Ich bedeckte sie mit beiden Händen und ließ mich mit geschlossenen Augen in die Kissen sinken.
    »Na, na, nur die Ruhe!«, murmelte er. »Es wird alles gut.«
    Meine letzten Augenblicke bei Bewusstsein fielen mir wieder ein. Der Toast. Der Champagner. »Ich bin ohnmächtig geworden«, flüsterte ich erschrocken.
    »Das kommt bei Ihnen anscheinend öfter vor.« Seine Stimme klang absolut professionell.
    Ich schüttelte den Kopf, wovon mir noch schwindeliger und übler wurde.
    »Wenn ich Sie wäre«, warnte Sir William, »würde ich meine Bewegungen strikt einschränken. Sie haben hohes Fieber. Über neununddreißig.« Er befeuchtete einen Lappen und legte ihn mir auf meine glühende Haut. »Verlieren Sie immer nur in meiner Gegenwart das Bewusstsein, Dr. White?«
    »Es tut mir leid«, murmelte ich schniefend. Der kühle Lappen fühlte sich gut an.
    »Nur die Ruhe«, sagte er wieder. Seine Hand lag jetzt auf meiner Schulter. »Sie werden bald wieder gesund, Agnes. Hier sind Sie in guten Händen.«
    Ich nickte und versuchte zu lächeln. Aber selbst das Nicken tat weh. Ich war wirklich ein hoffnungsloser Fall. Bei einer Party zu meinen Ehren fiel ich in Ohnmacht. Und es war nicht das erste Mal, dass Sir William mich verarzten musste. Flüchtig überlegte ich, was Freud dazu gesagt hätte. Hysterie. Verdrängte Sehnsucht nach Liebe. Nicht vollständig verdrängt, dachte ich grimmig. Ich schaute ihn an, unter schweren Lidern. Sir William beugte sich immer noch über mich. Ich genoss die Wärme seiner Hand. Erst da fiel mir auf, dass ich mein Kleid nicht mehr anhatte. Ich trug nur meine Unterwäsche. Hatte Sir William mich ausgezogen? Halb wünschte ich es mir. Seltsamerweise war ich gar nicht peinlich berührt – vermutlich, weil ich so müde war. Mir fielen die Augen zu, und ich glitt ins Reich des Schlafes.
    Als ich wieder aufwachte, war es immer noch dunkel. Im Haus war alles still, bis auf ein gelegentliches metallisches Knacken eines Heizkörpers. Mein Kopf war wieder frei und tat auch nicht mehr weh, und meine Füße waren wunderbar warm. Ich griff unter der Flanellwäsche nach ihnen. Ach, wie gemütlich es hier war, in diesem Haus, genannt Open Arms! Meine Taschenuhr schimmerte auf dem kleinen Tischchen neben dem Bett. Das Haus hatte elektrisches Licht, zum Glück, denn ich besaß keine Streichhölzer. Schnell knipste ich die

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