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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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Schnupfen. Ich spürte regelrecht, wie er mich überfiel, gleich nach meiner ersten Nacht in der klammen Bettwäsche. Aber bei Sir William war es warm. Ich stellte meinen Koffer im Flur ab, und ein Diener brachte ihn nach oben. Ich schlang die Arme um mich und schauderte genüsslich.
    »Willkommen in Open Arms «, sagte Sir William mit einem Lächeln und breitete die Arme aus.
    Ich hatte das Schild draußen auf dem Rasen natürlich gesehen. Es hatte die Form eines Schutzschilds, auf dem in sehr kunstvoller Schrift diese beiden Wörter standen: »Open Arms.« Offene Arme. Ein schöner Wortwitz. An jedem zweiten Haus in Oxford war das Wort »Arms« angebracht. Pickwick Arms . Fernwood Arms . Allerdings dort im Sinn von »Wappen« oder »Waffen«. Die Stadt schien regelrecht von solchen Schildern überschwemmt. Auf eine nicht ganz britische Art hatte sich Sir William Howlett dem Trend angeschlossen.
    Der große Mann hängte meinen Mantel persönlich in die Garderobe und führte mich dann zu dem Zimmer, das mir zugewiesen worden war. Open Arms war sogar noch größer als das Haus in Baltimore. Die Decken waren höher, die Zimmer geräumiger. Im Vorbeigehen sah ich Lady Kitty im Speisezimmer, wo sie gerade einem Diener Anweisungen gab.
    »Sie ist mit den Vorbereitungen beschäftigt«, erklärte Sir William. »Sonst würde sie kommen, um Sie zu begrüßen. Sie wissen ja, wie Frauen sind, wenn sie ein Essen geben.« So sprach Howlett manchmal mit mir – als würde ich selbst nicht auch zum weiblichen Geschlecht gehören, und das verwirrte mich immer. Einerseits fand ich es gut, dass ich dadurch indirekt in den männlichen Zirkel aufgenommen wurde, aber andererseits empfand ich es auch als Beleidigung. Immerhin war ich eine Frau. War das so schwer zu erkennen?
    Die Treppe führte in einer eleganten Biegung nach oben, mit einem Geländer aus glänzendem Eichenholz. In der Mitte lag ein Teppich mit einem zarten Muster aus Rosenknospen. Auf dem ersten Absatz saßen, auf einem breiten, niedrigen Fenstersitz, die Puppen. Ich erkannte die mit dem Fächer, obwohl sie jetzt anders gekleidet war und ihr Gesicht grauer schien als in meiner Erinnerung. Sir William ging wortlos an ihnen vorbei. Er wirkte aber keineswegs verlegen oder befangen. Dies waren die Puppen seiner Frau. Wenn ich ein Urteil über sie fällen wollte, betraf das nur Lady Kitty. Ihn ging es nichts an.
    Mein Zimmer gehörte zu den kleineren Räumen. Ein Bett, ein Stuhl, ein kleiner Tisch. Aber an den Wänden lauter Bücherregale. Der Name Open Arms war passend: Das Haus hieß viele Besucher willkommen. Lady Kittys Bruder war ab gereist, aber Sir Williams Verleger war gerade aus London eingetroffen, ebenso ein ehemaliger Kollege von der Johns Hopkins. Sie wohnten ebenfalls hier, vermutlich in etwas nobleren Zimmern als ich. Was mir nichts ausmachte. Meine kleine Höhle war einladend und warm. Endlich tauten meine Knochen wieder auf. Ich versicherte Sir William, es könnte nicht besser sein.
    Er sprach mit mir den Terminplan durch. Die Preisverleihung fand am Nachmittag um zwei Uhr statt, danach würden wir hierher zurückkommen, zu dem Essen, das Lady Kitty zu unseren Ehren gab. Ich dankte ihm und begann dann, die Bücherregale zu studieren. Hauptsächlich medizinische Werke. Mein Zimmer, erklärte Sir William, sei ein Lagerraum für den Überschuss aus seinem Büro. Er zeigte auf die Regale. »Bedienen Sie sich, Agnes. Nehmen Sie, was Sie interessiert. Aber wenn ich Sie wäre, würde ich mich erst ein wenig ausruhen. Der Tag heute wird recht lang werden.«
    Wie sich herausstellte, war »lang« eine gelinde Untertreibung. Ich ruhte mich tatsächlich erst ein wenig aus, danach nahmen Sir William und ich an der Preisverleihung teil, und nun stand ich neben Lady Kittys Mahagoni-Tisch, demselben Tisch wie damals in Baltimore, unter dem Revere sich versteckt und mein Herz geklaut hatte.
    Die Preisverleihung war wie ein Traum gewesen. Sir William und ich schritten Arm in Arm auf die Bühne, in einer von Oxfords Kirchen, und alle Gäste erhoben sich und applaudierten. Howlett nahm den Briefumschlag mit dem Scheck entgegen, aber so sollte es ja auch sein. Ich wusste, dass er den mir zustehenden Anteil irgendwann an mich weitergeben würde. Nach der Feier war ich von unzähligen Menschen umringt. Die Presse war gekommen und viele britische Ärzte und Akademiker. Alle, so schien es, fanden es faszinierend, dass ich kein Mann war. Die Zeitungsleute fotografierten mich. Ein

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