Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
bestand alles um sie her nur aus ohrenbetäubendem Donner, weißer Gischt und strudelndem Wasser. Der Sturm gab Töne von sich, die den Menschen die Haare zu Berge stehen ließen. Die Sturzwelle gierte nach dem Turm, warf sich gegen die steinernen Wände und riss mit einem gewaltigen Ruck die schwere Tür aus den Angeln. Die Menschen schrien, weinten und stießen Gebete hervor. Der Turm erbebte unter dem furchtbaren Stoß - doch er hielt stand!
Wiltert, der zusammenkauert vor einem der Fenster gehockt hatte, sprang auf. Auch die beiden Männer, die seine Bewachung übernommen hatten, waren sofort auf den Füßen, bereit, ihn wenn nötig zu ergreifen. »Das Tor«, stieß der Gefangene zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die Kammer ist auf!«
»Soll sich das Meer doch in aller Seelenruhe mit unserem angehäuften Strandgut vergnügen. Hauptsache, es lässt den Turm stehen und uns überleben,« erwiderte der Vogt.
Wilterts unruhige Augen huschten über die Gegenstände, die das Wasser in rasenden Strömen mit sich ins Freie riss. Er machte ein paar Schritte in Richtung Treppe, doch die Wachen legten ihm die Hände auf die Schulter und hielten ihn zurück. Wiltert keuchte auf und schüttelte die Hände ab. »Ich muss runter!«
Der Vogt wandte sich ihm fassungslos zu. »Was willst du?«
Wiltert zog unbewusst, wie um Halt zu finden, etwas aus seinem Hemd hervor. Seine Finger schlossen sich um ein Schmuckstück. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Jeels das Medaillon. Er wusste später nicht zu sagen warum, aber ihm war sofort klar, dass dieser Schmuck seiner Großmutter gehört hatte.
»Woher hast du das?« Er trat auf Wiltert zu und wies auf das Kleinod.
»Das wüsstest du wohl gerne, was? Es gehört mir.« Herausfordernd blickte der Brandstifter Jeels an. Seine Hand zerrte an der Kette, bis sie zerriss. Dann ließ er das Schmuckstück triumphierend vor Jeels’ Augen baumeln. »Hast wohl geglaubt, dass dir alles in den Schoß fällt, hä? Doch das hier wirst du nicht bekommen. Es gehört mir, verstehst du, mir allein. So wie alles andere.« Sein Gesicht war dem von Jeels ganz nahe.
Jeels riss ihm das Medaillon aus den Händen und ließ mit einer schnellen Bewegung den Deckel des Schmuckstückes aufschnappen. Es enthielt das Bildnis eines jungen Mannes. Im Deckel des Anhängers stand ein Name: Jeelke.
»Es gehörte meiner Großmutter und somit mir«, sagte Jeels mit fester Stimme.
»Dir gehört gar nichts hier auf der Insel«, schrie Wiltert wutentbrannt. »Deine Mutter war eine Hure, und es stand meinem Vater zu, ihr Hab und Gut an sich zu nehmen. Ich bin sein Erbe!« Er drehte sich zu den anderen um, die näher gekommen waren. Der Streit lenkte sie von dem Geschehen vor dem Fenster ab. Gemeinsam mit Tedamöh und Krischan stellte sich auch Wemke an Jeels’ Seite.
»Ja, stiert nur, Holzköpfe, die ihr seid!«, brüllte Wiltert und schlug sich gegen die Brust. Seine blutunterlaufenen Augen rollten in ihren Höhlen hin und her. »Mein Vater hat mich bestens versorgt. Ihr Narren habt heute Nacht alles verloren, aber ich werde als König diese verdammte Insel verlassen.«
»Jetzt ist er völlig verblödet«, sagte Dodo, der neben Krischan getreten war. »Da kann sich der Richter das Urteilen sparen und ihn gleich in die Anstalt geben.«
Ein zweiter Wellenangriff ließ den Turm erneut erzittern und die Menschen aufschreien. Wiltert fuhr zum Fenster herum. Mit den Fäusten hämmerte er auf die Steinmauer ein.
»Aufhören«, schrie er gegen das Tosen der Flut. »Lass deine gierigen Finger von ihr !«
»Von wem redest du?« Dem Vogt war unbehaglich zumute.
»Von ihr da unten!« Wilterts Lippen bebten und Speichel rann aus einem Mundwinkel. Er packte den Vogt beim Kragen. »Wir müssen sie retten!«
»Wen, um Gottes willen?« Entsetzt stieß der Vogt ihn von sich. »Es ist niemand mehr in der verdammten Kammer. Wir sind alle hier oben.«
»Nein«, flüsterte Wiltert und schüttelte wie irre den Kopf. » Sie ist da unten.« Er stieß seinen Kopf gegen die Mauer des Turms.
»Ja, wer denn?«, rief der Vogt aufgebracht, während die anderen den Kreis um Wiltert enger schlossen.
»Neeltje Jans«, kam es zischend aus dessen Mund.
Atemlose Stille folgte seinen Worten. Tedamöh trat näher. Sie schaute Wiltert lauernd an. »Meinst du die Statue der heidnischen Göttin, die unter all dem Treibgut begraben ist?«
Wiltert nickte. »Schlaue alte Hexe. Wir müssen sie raufholen.«
Die beiden Wachen begannen
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