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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Kraft zu schöpfen.
         »Wir
sind da, Vi Ki«, riss Dewei sie aus ihrem verzauberten Zustand.
»Hier wohnt der Mandarin Lao Tengfei.«
         Viktoria
fand sich in der Wirklichkeit wieder. Überall auf der Welt
verstanden es reiche Menschen, sich ein schönes Zuhause zu
schaffen.
         Die
Sänfte durchquerte ein weiteres Tor. Hier standen nun einige
hölzerne Gebäude, die mit den üblichen Lampen
geschmückt waren. Diener liefen ihnen entgegen, chinesische
Worte flogen durch die Luft. Viktoria ballte die Hände zu
Fäusten, um ihrer Angst Herr zu werden. Bald würde sie den
Leuten begegnen, von denen ihre weitere Zukunft abhing.
         Die
Sänfte wurde erst abgesetzt, nachdem sie noch zwei andere Tore
hinter sich gelassen hatten. Viktoria atmete tief durch, dann trat
sie heraus. Wieder begrüßte sie das übliche Starren.
Eine ganze Schar von Menschen hatte sich zu ihrer Begrüßung
aufgebaut, Männer, Frauen und Kinder standen aufgereiht wie
Figuren auf dem Schachbrett und schwiegen erstaunlicherweise.
Viktoria nahm eine gerade Haltung an, strich verlegen die Falten
ihres Rockes glatt. Man hätte ihr wenigstens Gelegenheit geben
können, sich für die erste Begegnung angemessen
herzurichten. Sie fühlte sich erschöpft und zerknittert von
der langen Reise.
         Die
Menschenmenge machte einem mittelgroßen Mann in einer
prächtigen Seidenrobe Platz, auf die ein goldener Fasan gestickt
war, das Abzeichen seines Mandarin-Ranges. Ansonsten unterschied
seine Kleidung sich kaum von der anderer chinesischer Würdenträger.
In diesem Land schien man bei allem künstlerischen Schaffen
immer wieder auf ähnliche Formen zurückzugreifen, die aber
sehr sorgfältig ausgearbeitet wurden. Der Mandarin machte
langsame, bedächtige Schritte. Da sein Gewand bis zum Boden
reichte, schien es Viktoria, als gleite er ihr entgegen. Wie auf
einen unhörbaren Befehl hin warfen sich all ihre Reisebegleiter
zu Boden und berührten ihn mit der Stirn. Selbst Dewei verhielt
sich so, ohne einen Augenblick zu zögern oder auf Viktorias
Einverständnis zu warten. Ihr wurde unwohl, da sie als Einzige
noch aufrecht stand, doch widerstrebte es jeder Faser ihres Wesens,
sich ebenfalls unterwürfig fallen zu lassen. Stattdessen tat sie
einen tiefen Knicks.
         Lao
Tengfei kam einen unsichtbaren Schritt näher. Er schien nicht
mehr jung, doch fiel es Viktoria immer noch schwer, das Alter von
Chinesen einzuschätzen. Falten lagen unter seinen Augen und um
seine Mundwinkel. Die Augenbrauen wiesen ein paar weiße Haare
auf. Die schmalen Augen unter ihnen schienen wachsam, klug und etwas
hochmütig. Nun, da er fast unmittelbar vor Viktoria stand, wurde
ihr bewusst, dass er ungefähr einen halben Kopf kleiner war als
sie selbst. In der Ahnung, dass er sich daran stören mochte,
knickste sie nochmals, konnte aber nichts an ihrer Körpergröße
ändern. In ihrem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit.
         »Ich
heißen willkommen Frau aus Deutschland. Große Ehre, sie
zu haben in meine Haus«, begann er plötzlich auf Englisch.
Es kostete Viktoria einige Mühe, ihn zu verstehen, da seine
Aussprache sehr undeutlich war. Aber sie ahnte, dass sie ihn
keinesfalls auffordern durfte, seine Worte zu wiederholen, denn
dadurch hätte sie ihn vor der versammelten Dienerschaft
blamiert.
         »Es
ist mir ebenfalls eine Ehre, hier sein zu dürfen«,
erwiderte sie langsam und deutlich, damit Lao Tengfei so viel wie
möglich verstand. Sein Gesichtsausdruck blieb undurchdringlich.
         »Hier
meine Frauen und Töchter, die von Ihnen sollen lernen neue
Sprache und Klugheit von deutsche Nation«, entgegnete er und
wandte sich an die versammelte Menschenmenge.
         Eine
erschöpft aussehende Frau in blauer Jacke und schwarzer Hose kam
auf kleinen, unsicheren Füßen vorwärts. Drei Mädchen,
die nicht älter als zwölf sein konnten, folgten ihr. Die
zwei Jüngeren konnten noch ungehindert laufen und stützten
ihre älteste Schwester, deren Gesicht sich bei jedem Schritt so
qualvoll verzog, dass Viktoria ihr am liebsten entgegengelaufen wäre.
         »Jinyu,
erste Gemahlin. Und Töchter«, meinte der Hausherr. Die
Mädchen verneigten sich, dann spähten sie sogleich
neugierig in Viktorias Gesicht. Sie lächelte so freundlich wie
möglich zurück. Seit sie Dewei kannte, machten chinesische
Kinder sie nicht mehr nervös.
         Jinyu,
die erste Gemahlin, schwankte ein wenig. Lao Tengfei herrschte sie
auf Chinesisch an.

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