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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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sie ihn mit Fragen bestürmen konnte.
         »Und?«
Viktorias Beine wurden schwach.
         »Er
hat sie in aller Eile fortgeschickt. Noch früh am Morgen, als es
nicht auffiel. Sie durfte fast nichts mitnehmen und niemand darf
wissen, wo sie genau ist.«
         Viktoria
sank auf einen Stuhl. In ihrem Kopf tobte ein Sturm, und sie rieb
sich die Schläfen, um ein paar Gedanken aus dem Chaos
herauszufiltern.
         »Ich
muss mit ihm reden«, sagte sie schließlich und sprang
wieder auf die Beine. »Los, finde heraus, wo er ist!«
         Hektisch
schlüpfte sie in ihre Schuhe, doch zitterten ihre Hände so
stark, dass sie es kaum schaffte, sie zuzubinden.
         »Vielleicht
solltest du warten«, mahnte Dewei sanft. »Du bist jetzt
sehr aufgebracht. Überlege zuerst, was du ihm sagen willst. Sie
ist seine Gemahlin und schuldet ihm Gehorsam. Er hat das Recht, sie
zu bestrafen. Du musst um Milde bitten, nicht schimpfen und zetern.
Sonst wird alles nur noch schlimmer.«
         »Ich
weiß selbst, was ich tun muss«, zischte Viktoria und
rannte hinaus.

    ******

         Als
der Glockenschlag den Beginn der Doppelstunde des Pferdes ankündigte,
warf Viktoria bereits ihre Habseligkeiten in den Koffer. Sie griff
spontan nach allen Gegenständen, die ihr in den Blick kamen,
musste sich selbst ermahnen, nicht versehentlich Besitztümer des
Hausherrn mitzunehmen. Ein paar Bücher, die sie liebte. Kleidung
für die nächsten Tage. Den jämmerlichen Rest ihres
einst so zahlreichen Schmucks. Das musste fürs Erste genügen,
denn Max von Brandt würde sicher jemanden schicken, um den Rest
abholen zu lassen. Sie knallte den Deckel des Koffers zu und fluchte,
als er wieder aufsprang.
         »Lass
mich das machen«, meinte Dewei leise in ihrem Rücken und
steigerte ihren Unmut, indem er es tatsächlich schaffte, den
Koffer zu schließen. Sie packte seine Hand, ergriff den Henkel
des Koffers und stürmte los.
         Im
flotten Marsch ging es durch den Hof. Diener wichen aus und sie
vermeinte, den Anflug eines Grinsens auf ihren Gesichtern zu
erkennen. Gottverdammte Chinesen! Kriecherisch waren sie, falsch in
ihrer Freundlichkeit, hinter der sich diktatorische Härte
verbarg. Die Empörung hämmerte mit jedem Herzschlag in
Viktorias Ohren. Ein Schritt. Dann der nächste. Sie wollte fort
aus dem Heim dieses Tyrannen.
         »Ich
sehe, Sie wollen uns verlassen«, erklang eine süße
Stimme in ihrem Ohr. Meiguis triumphierendes Lächeln ließ
Viktoria erstarren.
         »Sie
waren es. Sie haben Chuntian verraten!«, erkannte sie
schlagartig.
         Meigui
widersprach nicht, stand nur in all ihrer Schönheit da.
         »Aber
warum? Wie konnte sie Ihnen denn schaden? Sie haben ihn doch ganz für
sich allein. Er ist treuer als die meisten europäischen
Ehemänner, obwohl er drei Frauen hat. Die anderen sieht er
nicht, nur Sie.«
         »Die
dritte Gemahlin hat ihre Pflichten nicht erfüllt«, meinte
Meigui völlig gelassen. Nun, da sie die Lehrerin verabschiedete,
schien ihr Englisch weitaus flüssiger als während des
Unterrichts. »Sie las lieber Bücher, anstatt Mutter zu
werden«, fügte sie erklärend hinzu.
         »Aber
das sind Sie doch auch nicht!«, staunte Viktoria. Meiguis
Gesicht zuckte wie unter einem Hieb, was Viktoria ein wenig
Genugtuung verschaffte.
         »Ich
kann nicht schwanger werden, obwohl ich es lange versucht habe«,
fuhr die zweite Gemahlin etwas leiser fort, obwohl keiner der Diener
im Hof Englisch verstand. »Jinyu ist zu alt. Aber Chuntian will
nicht. Jedes Mal, wenn er zu ihr kam, weinte und bettelte sie, er
möge ihr noch etwas Zeit geben. Er ließ sie in Ruhe. Dabei
hatte er diese hässliche Frau nur in sein Haus geholt, um
endlich einen Sohn zu zeugen. Er hätte sie zwingen müssen,
aber er war zu gutmütig.«
         Viktoria
schnappte nach Luft. Sie hatte sich oft gefragt, wie die scheue, in
sich gekehrte Chuntian die Berührungen eines Mannes ertrug, von
dem sie niemals sprach und der sie öffentlich als dumm
bezeichnete.
         »Und
nun werfen Sie ihm vor, dass er sich wie ein anständiger Mensch
verhielt, anstatt sich auf ein wehrloses Mädchen zu stürzen
wie ein wildes Tier? Was für eine Frau sind Sie denn, um einer
anderen so etwas zu wünschen?«
         Meigui
hatte sich wieder gefangen. Das makellos geschminkte Gesicht verriet
keinerlei Empfindungen.
         »Sie
verstehen diese Dinge nicht. Zum Glück haben Sie meinem Gemahl
nun

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