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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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gezeigt, dass die Gegenwart von Barbaren unserem Land keinen
Gewinn bringt, nur Schaden.«
         Viktoria
wirbelte herum.
         »Ich
weiß nicht, wie eine so hinterhältige, gemeine Person wie
Sie einem Land nutzen kann«, rief sie. Dann sammelte sie ihre
Chinesischkenntnisse zum letzten Rückschlag. Plötzlich
herrschte in ihrem Kopf erstaunliche Klarheit, als habe der Sturm ihn
von allem Ballast befreit.
         »Jiānxié«,
schrie sie. Hinterlistig und böse. Dann stürmte sie aus dem
Hof hinaus, floh vor dem Gelächter in ihrem Rücken. Die
Diener mussten sie verstanden haben und fanden den öffentlich
ausgetragenen Streit zweier Frauen höchst erheiternd.

    ******

         Der
Zorn trieb Viktoria durch sämtliche Höfe. Selbst der einst
so bewunderte Garten vermochte sie nicht zur Ruhe zu bringen, sie
wünschte nur noch der Behausung Lao Tengfeis zu entkommen, die
nichts weiter war als ein goldener Käfig, in dem die
Eingesperrten nach einander hackten. Die große, rot lackierte
Ausgangstür schien nun das Tor in die Freiheit, zur
Gesandtschaft, zu Max von Brandt und der vertrauten Welt, die er
verkörperte.
         Kurz
bevor sie dieses Tor erreichte, zerrte Dewei sie plötzlich
rückwärts.
         »Vi
Ki, da will ein Diener mit dir reden.« Viktoria wandte sich
einer jener Gestalten zu, die in ihrem Kopf allesamt zu
kriecherischen, charakterlosen Wesen geworden waren.
         »Der
edle Herr bietet der Dame eine Sänfte an, die sie in die
Gesandtschaft tragen wird«, sagte er auch schon mit der
üblichen Verbeugung. Viktoria erinnerte sich an das steinerne
Gesicht, mit dem der Mandarin sämtliche Bitten und Vorwürfe
abgeschmettert hatte. Nur seine Augen hatten zornig gefunkelt,
während er sie ermahnte, dass die Herrschaft über dieses
Haus in seinen Händen lag und er die Belehrungen einer Fremden
nicht duldete.
         »Sage
dem edlen Herrn, ich brauche seine Sänfte nicht«,
erwiderte sie in bestmöglichem Chinesisch. Der Diener verstand
offenbar, denn er entfernte sich schweigend. Das Tor wurde geöffnet.
Vor Viktoria lag Peking in all seiner Größe und Fremdheit.
         Sie
trat auf die Straße und hörte die Flügel des Tors
hinter sich zufallen. Ein wenig ratlos stellte sie den Koffer ab, um
kurz durchatmen und ihre Gedanken ordnen zu können. Nun musste
sie zur Gesandtschaft laufen und Max von Brandt darum bitten, sie
irgendwo unterzubringen und ihr die Rückreise nach Shanghai zu
ermöglichen, wo sie hoffentlich eine neue Arbeit finden würde.
Die Sänfte war immer nach links abgebogen, daher schlug Viktoria
dieselbe Richtung ein, kämpfte sich entschlossen durch die
Menschenmenge und ignorierte die bohrenden Blicke in ihrem Rücken.
Vielleicht wäre es klüger gewesen, sich als einfache
Chinesin zu verkleiden und dadurch weniger aufzufallen, doch nun war
es dafür zu spät. Sie lief weiter. Die gerade Straße
war wie ein breiter Fluss, der sich in kleine Hutongs verzweigte. Auf
dem Weg zur Gesandtschaft war Viktoria stets an einem Zeltlager
vorbeigekommen, wo Kamele herumliefen und mit schwerem Silberschmuck
behängte Frauen Fleisch und andere Waren anboten. Der Gesandte
hatte ihr erzählt, dass dies ein Quartier der Mongolen war, aber
wie sollte sie es finden? Sie folgte der Straße, bis diese
schließlich an einem Stadttor endete. Viktoria reckte den Hals.
Wenn sie irgendwo die Umrisse des verbotenen Kaiserpalastes
erblickte, so wäre dies eine kleine Orientierungshilfe, doch
zahlreiche Gebäude raubten ihr die Sicht.
         »Wohin
gehen wir?«, hörte sie Dewei fragen.
         »Zur
deutschen Gesandtschaft.«
         Seine
Hand glitt aus der ihren.
         »Dort
will man mich nicht. Du hast mich niemals mitgenommen. Ich bleibe
hier.«
         Viktoria
stampfte ungeduldig auf. Ein bockiger Dewei war so ziemlich das
Letzte, das ihre brachliegenden Nerven nun ertragen konnten.
         »Und
was gedenkt mein schlauer, kleiner Freund hier ganz allein
anzustellen?«, fragte sie spitz. Er senkte den Blick auf die
schmutzige Straße.
         »Ich
kann betteln. Vielleicht finde ich Arbeit. Du gehst jetzt wieder zu
deinen Leuten, dort brauchst du mich nicht mehr.«
         Viktoria
packte die Schultern des Jungen und presste ihn an sich.
         »Wo
auch immer ich hingehe, da nehme ich dich mit. Das ist ein
Versprechen. Nur wenn du mich verlassen willst, dann kannst du
gehen.«
         Er
verharrte reglos in ihrer Umarmung, doch als sie ihn wieder

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