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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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­Australien und ließ die Dame wenige Wochen nach der Geburt ihres Babys im Stich. Diese Sache erregte ziemlich viel Aufsehen in Wildernsea, Sir, und diese Mrs ... Mrs ... ich habe den Namen vergessen.“
    „Talboys“, warf Robert ein.
    „Ja, natürlich, Sir, Mrs Talboys. Ich wollte sagen, Mrs Talboys wurde von den Leuten in Wildernsea sehr ­bemitleidet.“
    „Können Sie mir sagen, wie lange Mr Maldon und seine Tochter noch in Wildernsea blieben, nachdem Mr Talboys sie verlassen hatte?“, fragte Robert.
    „Nun ... nein, Sir“, entgegnete der Wirt nach kurzem Überlegen. „Ich weiß nicht genau, wie lange das war. Ich weiß nur, dass Mr Maldon hier in diesem Raum zu sitzen und den Leuten zu erzählen pflegte, wie schlecht seine Tochter behandelt worden sei und dass er sich von einem jungen Mann habe täuschen lassen, in den er so viel Vertrauen gesetzt hatte. Aber ich kann nicht sagen, wie lange es dauerte, bis er von Wildernsea fortging. Doch Mrs ­Barkamb wird es Ihnen bestimmt sagen können, Sir“, setzte der Wirt eifrig hinzu.
    „Mrs Barkamb?“
    „Ja, Mrs Barkamb gehört das Haus Nr. 17, North ­Cottages, in dem Mr Maldon und seine Tochter wohnten. Sie ist eine nette Frau, Sir, und ich bin sicher, sie wird Ihnen alles mitteilen, was Sie wissen wollen.“
    „Ich danke Ihnen. Warten Sie, ich habe noch eine Frage. Würden Sie Mrs Talboys wiedererkennen, wenn Sie diese sehen würden?“
    „Gewiss, Sir.“
    Robert Audley schrieb Mrs Barkambs Adresse in sein Notizbuch. Dann erst aß er sein Dinner. Er trank einige Gläser Sherry, rauchte eine Zigarre und zog sich anschließend in sein Zimmer zurück, in dem man für sein Wohlbefinden ein Feuer angezündet hatte.
    Erschöpft von der Anstrengung, die es bedeutet hatte, während der letzten beiden Tage von einem Ort zum ­anderen zu hetzen, schlief er bald ein. Sein Schlaf war jedoch nicht sehr tief, und er vernahm im ­Schlummer das trostlose Stöhnen des Windes über den weiten Sandflächen und hörte die langen Wellen, die monoton auf das ­flache Ufer zurollten. Zu diesen steten Geräuschen kamen schwermütige Gedanken, die ihn die ganze Nacht hindurch quälten. Er schreckte erst am nächsten Morgen auf, als die schrille Stimme des Zimmermädchens an ­seiner Tür verkündete, dass es halb neun sei.

    Um Viertel vor zehn hatte Robert das Victoria Hotel ­verlassen und wanderte vor einer Reihe Häuser, die auf das Meer hinausblickten, die menschenleere Promenade ­entlang. Diese Reihe schmuckloser Behausungen zog sich bis zum kleinen Hafen hin, in dem einige Handelsschiffe und ein paar Kohlendampfer vor Anker lagen. Oberhalb des Hafens ragte eine düstere Kaserne grau und kalt gegen den winterlichen Horizont auf. Sie war von den Häusern in Wildernsea durch eine kleine Bucht getrennt und von der Stadt aus nur über eine eiserne Zugbrücke zu ­erreichen. Der scharlachrote Rock eines Soldaten, der vor der Kasernen­mauer hin und her marschierte, war der ­einzige Farbtupfer, der das eintönige Bild der grauen Steinhäuser und des bleifarbenen Meeres belebte.
    Auf einer Seite des Hafens erstreckte sich eine lange ­steinerne Mole bis weit hinaus in die gnadenlose Einsamkeit des Meeres. Unter der gelben Pracht eines ­sonnigen Himmels und bei den Klängen einer schmetternden Musikkapelle hatte George Talboys auf dieser Mole vielleicht zum ersten Mal seine Frau gesehen. Dort war der junge Kornett zum ersten Mal jener süßen Verblendung erlegen, jener verhängnisvollen Betörung, die einen so ­folgenschweren Einfluss auf den Verlauf seines Lebens ausgeübt haben sollte. Voll Zorn blickte Robert auf den verlassenen Badeort und den heruntergekommenen Hafen.
    Es ist ein Ort wie dieser, dachte er, der den Untergang eines starken Mannes bewirkt. Er kommt hierher – glücklich und zufrieden, mit keiner anderen Erfahrung im Umgang mit einer Frau als jener, die er bei einer Blumenschau oder im Ballsaal gesammelt hat. Und bevor er Zeit hat, seine Verwirrung zu meistern, hat im Handumdrehen auch schon die zerstörende Zauberkraft der Weiblichkeit eingesetzt.
    Während Robert Audley diesen Gedanken nachhing, kam er bei dem Haus an, in dem Mrs Barkamb wohnte. Ein adrettes älteres Dienstmädchen ließ Robert ein und fü hrte ihn in ein Wohnzimmer, das ebenso adrett und ältlich wirkte wie die Frau selbst. Mrs Barkamb, eine gemütliche Matrone von etwa sechzig Jahren, saß in einem Lehnstuhl vor einem Feuer im Kamin. Ein betagter Terrier, dessen schwarz-gelb-braunes

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