Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
Josh lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und seufzte zufrieden. »Ich habe noch nie einen so guten Rinderbraten gegessen. Sie haben sich wirklich selbst übertroffen.«
Shelly konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie bemerkte, wie die sonst so unerschütterliche Emily geradezu mädchenhaft errötete.
»Schmeichler«, tadelte die ältere Frau ihn sanft. »Es ist mir wirklich unverständlich, dass ein Mann wie du bisher noch von keiner Frau vor den Traualtar gezerrt worden ist.«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht liegt es daran, dass ich mich nicht habe zerren lassen …«
Zu Anfang war es für Shelly merkwürdig gewesen, mitJosh an einem Tisch zu sitzen. Doch die Unbefangenheit, mit der Will und Kimberly ihn behandelten, schien ansteckend zu sein. Schon nach kurzer Zeit fühlte es sich an, als wäre es nie anders gewesen. Sie wunderte sich selbst ein wenig darüber, dass ihr Argwohn ihm gegenüber beinahe vollständig verschwunden war. Hal und Lenny schienen das jedoch ein wenig anders zu sehen, denn sie glänzten mit Abwesenheit. Es war offensichtlich, dass die beiden sich nicht mit Josh an einen Tisch setzen wollten. Aber das mussten sie selbst wissen – Shelly jedenfalls hatte damit kein Problem mehr.
»Kann ich vielleicht beim Abwasch helfen?«, fragte Josh, als Emily anfing, die Teller zusammenzuräumen.
Emily lächelte. »Warum nicht – ich bin sicher, Shelly wird sich über deine Unterstützung freuen. Die Kinder und ich, wir müssen uns nämlich leider jetzt verabschieden. Wir haben gemeinsam noch etwas in der Stadt zu erledigen.«
»Was?«, fragte Shelly überrascht. »Aber … Was wollt ihr denn jetzt noch in der Stadt?«
»Ich bin mit meiner Schwägerin Katie verabredet, außerdem brauchen wir dringend Milch und Toast. Das Dairy hat rund um die Uhr geöffnet, das ist also kein Problem.« Sie scheuchte Kim und Will von ihren Plätzen. »Los, Kinder, keine Müdigkeit vorschützen!« Dann wandte sie sich mit einem strahlenden Lächeln an Shelly und Josh. »Und euch beiden wünsche ich noch einen schönen Abend!«
Keine fünf Minuten später waren Shelly und Josh allein auf der Farm. Sofort war das etwas unbehagliche Gefühl von Befangenheit wieder da, das Shelly bereits abgeschüttelt zu haben glaubte.
»Hör zu«, brach Josh das Schweigen. »Ich weiß, du glaubst, dass ich mit meiner Mutter gemeinsame Sache mache, um dich aus Aorakau Valley zu vertreiben, aber du irrst dich. Esstimmt, dass ich ebenso daran interessiert bin, deine Farm zu kaufen, wie sie – aber das bedeutet nicht, dass ich auch die gleichen Methoden anwende wie sie. Überleg doch mal: Warum hätte ich dir sonst die Schafherde überlassen sollen?«
Shelly lächelte. »Und wie sieht deine Strategie aus? Rettest du so lange meine Kinder aus Krisensituationen, bis ich freiwillig nachgebe?« Seufzend strich sie ihr langes, rotgoldenes Haar zurück. »Aber im Ernst, Josh – ich glaube, ich schulde dir noch eine Entschuldigung. Wie ich mich am Abend des großen Barbecues benommen habe, war wirklich nicht fair. Du hast dich für Will eingesetzt, und dafür danke ich dir.«
»Keine Ursache. Ich mag deine Kinder, Shelly – und ich mag dich.« Er bedachte sie mit einem eindringlichen Blick, dem sie rasch auswich. Es machte sie nervös, wenn er sie so anschaute.
Abrupt wechselte sie das Thema. »Sagt dir der Name May zufällig irgendetwas?«
»May?« Irritiert runzelte Josh die Stirn. »Nein, wieso? Sollte er?«
»Ich weiß nicht. Ich habe vor Kurzem auf dem Dachboden eine Mappe mit Zeichnungen meines Großvaters entdeckt. Eine davon zeigt ein wunderschönes Maorimädchen, dessen Name der Widmung auf der Rückseite zufolge May lautete.« Sie zuckte mit den Achseln. »Das Bild hat mich neugierig gemacht, und ich würde gern mehr über sie erfahren. Du weißt also nichts?«
»Nein«, antwortete er. »Aber May ist nicht unbedingt ein klassischer Name für eine Maori. Weißt du denn, wann dein Großvater die Zeichnung gemacht hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Aber es muss ziemlich lange her sein, schließlich war er noch keine zwanzig, als er Neuseeland verließ.«
»Vielleicht lebt diese May dann schon längst nicht mehr hier im Tal«, sagte Josh. »Und selbst wenn, dann dürfte sie sich im Laufe der vergangenen mehr als fünfzig Jahre doch so stark verändert haben, dass du sie vermutlich nicht einmal erkennen würdest, wenn du ihr direkt gegenüberstündest.« Er lächelte. »Aber ein
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