Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
stecken.«
Shelly hob eine Braue. »Okay, noch einmal ganz von vorne – was ist passiert?«
»Ich … Ich habe Mist gebaut«, erwiderte Kim und seufzte schwer. »Nach der Schule sind wir mit den Rädern noch zum Mulligan’s gefahren, diesem Einkaufszentrum am Sutton Square. Und da habe ich …« Sie ließ die Schultern hängen. »Ich habe ein Paar Ohrringe geklaut. Es tut mir leid.«
»Du hast – was?« Fassungslos starrte Shelly ihre Tochter an. »Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?«
Die Vierzehnjährige kämpfte offensichtlich mit den Tränen. »Ich weiß ja, dass das blöd war. Ich wollte das auch gar nicht, aber …«
»Ich verstehe, man hat dich also gezwungen, ja?« Ärgerlich runzelte Shelly die Stirn. »Und wie genau ist das abgelaufen? Hat dir jemand diese Ohrringe in die Tasche gesteckt?«
»Nein, ich habe die Teile schon selbst eingesteckt«, gab Kim kleinlaut zu. »Eines der anderen Mädchen hat mich zwar dazu angestiftet, aber … Na ja, ich will mich jetzt nicht rausreden oder so. Es war falsch, dass ich da mitgemacht habe, aber ich habe in dem Moment nicht so nachgedacht.«
Shelly schüttelte den Kopf. Ihre anfängliche Wut verrauchte langsam, denn Kim wirkte ehrlich zerknirscht. Natürlich war es für Shelly ein Schock, zu erfahren, dass ihre Älteste erneut drohte, auf die schiefe Bahn abzurutschen. Doch je mehr sie hörte, umso klarer wurde ihr, dass die Dinge sich etwas anders verhielten als früher in Los Angeles. Dieses Mal bereute Kim ihr Verhalten – und das war eine echte Premiere.
»Bist du jetzt sehr wütend auf mich?«, fragte Kim ein wenig ängstlich.
Zum ersten Mal meldete sich ihre Freundin zu Wort.»Mein Name ist Megan, Mrs Makepeace. Megan Raleigh. Ich war dabei, als … als es passiert ist, und ich kann bezeugen, dass Kim das alles nur gemacht hat, weil sie von Alli so unter Druck gesetzt worden ist.« Bewundernd schaute sie zu Josh auf. »Als Kim erwischt wurde, dachte ich schon, dass wir jetzt echt Probleme kriegen, aber zum Glück ist Mr Wood aufgetaucht und hat uns gerettet.«
Shelly begegnete Joshs Blick fest. »Scheint so, als wäre ich dir nun doch zu Dank verpflichtet …«
Er hob eine Braue. »Keineswegs«, erwiderte er nüchtern. »Ich habe lediglich gemacht, was jeder andere in meiner Situation auch getan hätte. Du siehst also, es gibt keinerlei Grund, sich mir gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet zu fühlen.«
Shelly wusste nicht, warum – aber etwas an der Art, wie er das sagte, provozierte sie. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, trat Emily aus dem Haus. »Du liebe Güte, Kindchen, was hast du denn angestellt?«, fragte sie und trat kopfschüttelnd auf Kim zu.
»Sie wissen es schon?«, fragte Shelly erstaunt.
Emily lächelte milde. »Aorakau ist ein kleines Provinznest. Wenn man hier die richtigen Leute kennt, weiß man Dinge manchmal schon, ehe sie überhaupt passiert sind.« Dann wandte sie sich resolut an Josh. »Na, dann komm mal mit, junger Mann. Für deinen heldenhaften Einsatz zur Rettung der Tochter meiner Hausherrin hast du dir eine Belohnung verdient. Bei uns gibt es heute Abend Rinderbraten mit Schmorkartoffeln und Salat – und wenn du mir hilfst, die Kartoffeln zu schälen und zu schneiden, bist du herzlich dazu eingeladen.«
»Emily, bitte … Josh hat bestimmt Besseres zu tun, als sich mit uns an den Tisch zu setzen!«, protestierte Shelly.
Ein Lächeln huschte über Joshs Gesicht. »Ganz und gar nicht – ich würde mich sogar sehr freuen. Wer könnte diesem verlockenden Angebot schon widerstehen …?«
»Sehen Sie?«, entgegnete Emily zufrieden. Dann schenkte sie Josh ein freundliches Lächeln. »Was ist – wollen wir?«
Stirnrunzelnd blickte Shelly ihm nach, als er hinter Emily ins Haus ging. Kim trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, er ist nicht so wie seine Mutter, Mom. Die soll ja ein richtiger Drachen sein, was man so hört. Aber Josh ist nett … ehrlich!«
Shelly nickte. Wie sollte sie ihrer vierzehnjährigen Tochter auch erklären, dass sie nicht so sehr befürchtete, Josh könnte sich als verschlagener Schuft erweisen. Sie wünschte wirklich von Herzen, es wäre so einfach. Doch das genaue Gegenteil war der Fall: Sie hatte schlicht Angst davor, sich am Ende eingestehen zu müssen, dass sie sich in ihm getäuscht hatte.
Und vor den Konsequenzen, die diese Erkenntnis unweigerlich nach sich ziehen würden …
»Das war ausgesprochen köstlich, Emily.«
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