Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
besorgt um unseren Herrn. Aber Kampf ist Kampf, so etwas kann passieren, das hat unser Herr noch selbst gesagt.«
Anna hatte Gero von Hochstaden beim Betreten des Zelts zwar sofort erkannt, aber sie hatte keine Zeit gehabt, auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Warum nannte er sich jetzt Baron Meinhard von Geldern? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, aber das war zweitrangig. Oder doch nicht? Hatte er sie etwa auch erkannt?
Der Pferdeknecht fuhr fort: »Sie ritten aufeinander zu, und der Baron traf unseren Herrn so unglücklich, dass er mitsamt seinem Sattel vom Pferd gerissen wurde und ohnmächtig liegen blieb. Wir rannten sofort zu ihm hin und sahen gleich, dass er sich furchtbar verletzt hatte.«
Der andere Bursche nickte bestätigend: »Wir holten eine Trage, und dann brachten wir ihn zu seinem Zelt. Der Graf von Landskron beendete das Turnier, und Meinhard von Geldern wurde zum Sieger erklärt.« Er zögerte.
»Und weiter?«, fragte Anna.
»Nun, als unser Herr aufwachte, hatte er große Schmerzen. Der Feldscher kam dahergerannt, aber unser Herr wollte nicht von ihm behandelt werden, er rief nach Euch. Graf von Landskron hat mir schließlich befohlen, Euch zu benachrichtigen. Ich bin dann sofort losgeritten, um Euch zu holen. Den Rest kennt Ihr.«
Bruder Thomas fragte noch einmal nach: »Der Sattel fiel mit, als Junker Chassim vom Pferd gerissen wurde? Habt ihr den Bauchriemen nicht richtig angezogen?«
»Bei allem, was mir heilig ist, Herr: Ich habe nachgezurrt wie immer. Und nichts bemerkt.«
Bruder Thomas stand auf. »Können wir uns den Sattel mal ansehen?«, fragte er.
»Ja, sicher. Folgt mir«, winkte der Pferdeknecht und ging voraus. Anna und Bruder Thomas gingen hinterher.
Der Sattel lag hinter dem Zelt achtlos am Boden, Bruder Thomas drehte ihn um.
»Die Lanze des Barons von Geldern traf meinen Herrn gegen die Brust«, erklärte der Sommersprossige. »Im gleichen Moment muss der Bauchgurt des Sattels gerissen sein.«
Der Knecht hatte sich hingekniet und zeigte den abgerissenen Gurt. Anna und Bruder Thomas sahen ihn sich genau an.
»Ein unglücklicher Zufall«, sagte Bruder Thomas.
»Oder ein präparierter Gurt. Nach einem Riss sieht mir das nicht aus. Der wäre fransiger gewesen«, bemerkte Anna.
Vielleicht ist das Gero gewesen. Gero als Baron Meinhard von Geldern, dachte Anna. Dem traute sie eine solche Freveltat durchaus zu. Aber warum? Weil er Turniersieger werden wollte, um jeden Preis? Er konnte ja nicht wissen, dass er im Endkampf auf Chassim treffen würde.
»Geschehen ist geschehen«, meinte Bruder Thomas. »Es gibt leider immer wieder solche Unfälle bei einem Turnier, das ist nichts Neues.«
Anna schwieg, aber an einen unglücklichen Unfall konnte sie nicht mehr glauben.
Sie wandte sich an die Pferdeknechte und gab ihnen ein paar Münzen. »Habt Dank für eure Hilfe und eure Auskunft. Vielleicht brauchen wir euch noch einmal, wenn wir euren Herrn abholen.«
Die beiden nickten und bedankten sich. Anna und Bruder Thomas gingen zum Zelt zurück.
»Wir müssen ihn jetzt aufwecken«, meinte Anna.
Bruder Thomas wartete, bis die beiden Burschen außer Hörweite waren, dann hielt er Anna auf und fragte: »Was meint Ihr mit abholen? Junker Chassim sollte so wenig wie möglich bewegt werden.«
Anna schüttelte den Kopf. »Wir können ihn nicht im Zelt liegen lassen. Und ob er auf die Burg oder zu uns gebracht werden muss, läuft auf dasselbe hinaus. Er braucht Pflege, und jemand muss zumindest anfangs ständig bei ihm sein, falls er Fieber oder Schlimmeres bekommt. Ich werde mit Graf von Landskron sprechen. Am besten wäre es, er würde zu uns ins Haus kommen, und ich müsste nicht jeden Tag auf die Burg, das ist viel zu beschwerlich. Wir hätten ihn unter Beobachtung und alle Arzneien und Möglichkeiten gleich zur Hand, falls sein Heilungsprozess nicht so verlaufen sollte, wie wir uns das erhoffen.«
»Klingt vernünftig«, brummte Bruder Thomas.
Sie betraten das Zelt, Bruder Thomas bereitete einen Essigschwamm vor und reichte ihn Anna, die ihn Chassim an die Nase hielt, bis er zu blinzeln und zu stöhnen anfing und schließlich die Augen aufschlug.
»Anna Ahrweiler«, sagte er mit einem schwachen, aber seligen Lächeln, als würde er einen Engel erblicken. Anna legte sanft ihren Finger auf seine Lippen und sagte: »Pst! Sprecht jetzt nicht. Ihr habt Euer Bein behalten.«
»Bitte geht jetzt nicht!«, flüsterte er und hielt sie am Handgelenk fest.
»Ich bleibe
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