Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
das Bett und zündeten sie mit Kienspänen aus dem Kamin an. Dann verließ das Mädchen das Zimmer wieder.
»Den Schlafschwamm!«, befahl Aaron und dann, zum Grafen, aber so leise, dass nur er es verstehen konnte: »Es wird kein schöner Anblick, Graf. Mir wäre es lieber, Ihr wartet draußen.«
»Ich war bei einigen Schlachten dabei. Ich bin einiges gewohnt, Meister Aaron«, erwiderte der Graf tapfer.
»Das ist etwas anderes«, widersprach ihm Aaron. »Hier geht es um Eure Frau. Wir holen Euch, wenn sie es überstanden hat.«
Georg von Landskron zögerte kurz, küsste seine Frau dann auf die Stirn und stand auf.
»Sorgt dafür, dass niemand hereinkommt«, sagte Aaron und schob ihn hinaus.
Zur Amme meinte er: »Ihr könnt bleiben. Ich nehme an, Ihr wart schon bei der einen oder anderen Geburt dabei?«
»Es ist nicht meine erste und wird nicht meine letzte sein«, antwortete die Frau.
Aaron nickte und wusch sich wie Anna sorgfältig die Hände in der Wasserschüssel, die mit Aqua Vitae versetzt war. Anna hatte den Schlafschwamm schon präpariert. Aaron setzte sich an die Seite der Gräfin, die ihn vertrauensvoll und bang zugleich ansah.
»Ihr wollt mir das Kind aus dem Bauch schneiden, nicht wahr?«
Aaron hielt ihr den Schwamm unter die Nase. »Atmet tief ein. Ihr werdet einschlafen und nichts spüren, das verspreche ich Euch. Ich habe das schon einige Male gemacht.«
Ottgild ergab sich in ihr Schicksal, schloss die Augen und atmete ein paar Mal kräftig ein. Aaron nahm den Schwamm weg, als er merkte, dass sie nicht mehr bei Sinnen war, was er durch ein Öffnen der Augenlider überprüfte.
Er wandte sich an Anna: »Jetzt müssen wir schnell machen. Es wird viel Blut fließen, wir werden nähen müssen, richte alles dafür her. Vor allem die Nadeln, die ich dir im Laboratorium mitgegeben habe. Leg sie in die Schüssel mit Aqua Vitae. Wir werden Hand in Hand arbeiten müssen, schnell und ohne Pause. Uns darf kein Fehler unterlaufen. Du musst das Blut ständig wegtupfen, sonst sehe ich nichts. Hast du alles bereit?«
»Ja«, sagte Anna und holte die Nadeln aus dem Ranzen, bei denen die Fäden schon eingefädelt waren.
Aaron nahm das schärfste Messer, schob das Hemd der Schwangeren hoch bis unter die Brüste und setzte zum Schnitt an, quer über die Bauchdecke eine Handbreit unter dem Nabel. Er warf Anna noch einmal einen Blick zu: »Ikh hob dos doziker keyn mol nisht geton. Ikh hob lign zogn.«
Anna verstand kein Wort. Aber Aaron hatte das wohl zu sich selbst gesagt.
Dann zog der Medicus das Messer entschlossen über den Unterleib und schnitt die erste Schicht der Haut sorgfältig und vorsichtig auf.
XIV
D as Kind, ein Junge, schrie aus Leibeskräften. Aaron legte es Anna in die Arme, die mit Tüchern bereitstand. Sie wischte dem Jungen das Gesicht ab, sah, dass er augenscheinlich gesund war, lächelte ihn an und gab ihn, in die Tücher gewickelt, an die Amme weiter, die sofort anfing, den kleinen Wurm in der zweiten Waschschüssel zu säubern.
Anna musste Aaron beistehen, der alle Hände voll zu tun hatte, um die durchtrennten Hautschichten nacheinander zuzunähen. Sie reichte ihm Nadel und Faden, wischte und tupfte Blut, zog die inneren Wundränder mit zwei Haken zusammen und hielt sie, damit Aaron sie nähen konnte, wischte wieder Blut weg, schnitt den Faden ab, machte einen Knoten, hielt die nächsten Wundränder zusammen, bis Aaron fertig war und sich erschöpft aufrichtete. Es sickerte nur noch wenig Blut aus der zugenähten Schnittwunde, Anna säuberte sie, so gut sie konnte.
Der Medicus nahm das Verbandszeug und legte es der Gräfin gewissenhaft an.
Währenddessen packte Anna die verschmutzten und blutigen Tücher und warf sie auf einen Haufen, dann wusch sie sich ebenfalls.
Aaron beugte sich über das Gesicht der Gräfin und lauschte ihrem Atem, indem er mit dem Ohr ganz nah an ihrem Mund horchte. Anna und die Amme sahen ihn bang an.
»Sie lebt«, sagte er nur. »Ob sie es auch überstehen wird, ist die andere Frage.«
Er setzte sich erschöpft auf einen Hocker. »Du hast dich gut gehalten, Anna.«
»Was habt Ihr vorher gesagt?«, fragte Anna. »Ich habe es nicht verstanden. War das Hebräisch?«
Aaron stand auf und schob Anna zur Tür. »Komm. Wir müssen dem Grafen berichten. Er wird sich große Sorgen machen.«
An der Tür, als er sicher war, dass die Amme ihn nicht mehr hören konnte, sagte er leise zu Anna: »Es war Jiddisch und ist mir so herausgerutscht. Ich habe gesagt: Ich
Weitere Kostenlose Bücher